Über die Kunst wahrheitsverschleiernder Information

Der «Inländervorrang» auf dem Schweizer Arbeitsmarkt ist derzeit in aller Munde. Parlamentskommissionen beraten darüber, Medienkommentare erscheinen zuhauf, an Veranstaltungen wird laufend darüber diskutiert.

EU-NO Newsletter vom 24.11.2016

Aber kaum jemand bemüht sich, faktengenau zu erklären, was «Inländervorrang» im Rahmen des geltenden Arbeitsrechts wirklich bedeutet. Wer sich um präzise Information bemüht, stösst rasch auf Barrieren – weil selbst Parlamentarier teils nicht Bescheid wissen, teils der Wahrheit bewusst ausweichen. Fragt man den berühmten «Mann auf der Strasse», dann erhält man – wenn überhaupt – meist eine Antwort im Sinne von: Inländervorrang bedeutet Schutz der Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor ausländischer Billig-Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt.

Eine Meinung, die, so oft sie auch geäussert wird, meilenweit von der Wahrheit entfernt ist. Aber selbst die Bundesverwaltung scheint die effektive Wahrheit als derart nachteilig für Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzuschätzen, dass auch sie jede Bereitschaft vermissen lässt, die Falschmeinung des «Mannes von der Strasse» faktengerecht richtigzustellen.

Inländervorrang

«Inländervorrang» hat – dies eine erste, grundsätzliche Feststellung – völlig andere Bedeutung, je nachdem, ob er in einem System freier, völlig ungehinderter Einwanderung oder unter politisch ausdrücklich festgelegter Begrenzung der Einwanderung in Kraft gesetzt wird. Wird der Inländervorrang unter wirksamer Einwanderungsbegrenzung in die Tat umgesetzt, dann geht von ihm tatsächlich gewisser – allerdings nicht absoluter – Schutz von Schweizer Arbeitnehmern vor billigen Konkurrenten aus dem Ausland aus.

Ganz anders aber wirkt sich der Inländervorrang aus, wenn er eingeführt wird zusammen mit einem System uneingeschränkter Personenfreizügigkeit, wie sie gemäss einem bilateralen Vertrag nicht nur in der EU, sondern auch zwischen der Schweiz und der EU gilt.

Die EU-Personenfreizügigkeit orientiert sich schliesslich am Prinzip, wonach jeder in der EU legal Niedergelassene grundsätzlich das Recht besitzt, sich in jedem der EU-Personenfreizügigkeit angeschlossenen Land weitgehend frei niederlassen zu können. Unter solcher Voraussetzung ist es rechtswidrig, den Inländervorrang auf die eigene Nationalität zu beschränken. Die Personenfreizügigkeit verbietet vielmehr jegliche Bevorzugung einer Nationalität gegenüber andern. Die Personenfreizügigkeit ist ja gerade ein Mittel, die Nationalstaaten in Europa auszumerzen. All die früheren Nationalstaaten sollen vielmehr in einem nationenfreien Konglomerat namens EU aufgehen.

Inländervorrang in solchem System heisst also: Jeder, der in dem Land, das einen Inländervorrang festgelegt hat, bereits anwesend ist, besitzt – ob Staatsbürger oder Angehöriger eines andern der Personenfreizügigkeit angeschlossenen Landes – vorbehaltlos gleiche Rechte auf dem Arbeitsmarkt und an seinem Arbeitsplatz.

Inländervorrang light

Wenn Schweizer Parlamentarier jetzt ein System «Inländervorrang light» als Wundermittel zur Aushebelung des Volksentscheids gegen die Masseneinwanderung feiern, dann hat dieser Inländervorrang light erst recht nichts, aber auch gar nichts zu tun mit Schutz von Schweizerinnen und Schweizern im hiesigen Arbeitsmarkt. Im Rahmen des Inländervorrangs light darf niemals ein Schweizer oder eine Schweizerin gegenüber einem EU-Einwanderer irgendwie bevorzugt werden.

Dies gilt nicht nur gegenüber bereits hier anwesenden EU-Bürgern. Es gilt auch gegenüber allen, die sich erst noch entschliessen werden, aus der EU in die Schweiz einzuwandern – sich Chancen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt ausrechnend.

Sobald EU-Ausländer hier sind, geniessen sie bei der Bewerbung um eine Stelle genau die gleichen Rechte wie die längst hier Anwesenden, insbesondere wie Schweizer Bürgerinnen und Bürger. Wer heute im Ernst behauptet, der Inländervorrang light schütze Schweizer – zum Beispiel fünfzigjährige und ältere Arbeitnehmer vor billiger, junger ausländischer Konkurrenz –, hat sich entweder nie mit den wahren Fakten des Inländervorrangs auseinandergesetzt – oder er verbreitet ganz bewusst Lügen.

Inländervorrang grotesk

Vor wenigen Tagen liess die EU nun auch noch verlauten, sie sei mit dem im Schweizer Parlament diskutierten Inländervorrang light nicht einverstanden. Dieser widerspreche fundamentalen EU-Regeln.

Zunächst vermutete man ein abgekartetes Spiel: Die EU verhelfe den hiesigen Ausverkäufern elementarer Schweizer Interessen zu einem Image, als hätten sie den Inländervorrang light gegen den Widerstand der EU-Bürokraten zu Brüssel mühsam erkämpfen müssen, als seien sie «heldenhafte Sieger» geworden im Kampf um Rechte von Schweizerinnen und Schweizern auf dem Arbeitsmarkt.

Wer genauer zu recherchieren sich Zeit nimmt, erfährt freilich etwas anderes: Brüssel nimmt Anstoss an der Schweizer Idee, den Inländervorrang nur jenen Arbeitnehmern zugute kommen zu lassen, die in der Schweiz legal Wohnsitz haben, die im Moment, da eine Stelle ausgeschrieben wird, tatsächlich bereits legal in der Schweiz wohnhaft sind.

Diese «Einschränkung» akzeptiert Brüssel nicht. Die Schweiz müsse – verlangt die EU – vielmehr jede legal irgendwo in der EU wohnhafte Person als Inländer behandeln. Wer mit Wohnsitz in Saloniki, in Palermo, in Prenzlau, in Riga, in Sevilla, in Posen oder anderswo via Internet von einer freien Stelle in der Schweiz erfahre und sich dafür bewerben wolle, müsse von der Schweiz behandelt werden wie ein Inländer – auch wenn er noch keinen einzigen Tag in seinem Leben in der Schweiz gelebt hat. Jeder, der legal in der EU wohnhaft sei, müsse von der Schweiz als «Inländer» behandelt werden.

Denn die Personenfreizügigkeit verbiete jegliche Bevorzugung nach irgend welchen nationalen Massstäben.

Der Schweizer Stimmbürger erkennt damit, auf welch grotesk schiefe Ebene Parlament und Bundesrat geraten sind in ihrem blindwütigen Bestreben, den Volksentscheid vom 9. Februar 2014 gegen die Masseneinwanderung zu hintertreiben. Der Inländervorrang wird in Wahrheit zum Einwanderungs-Beschleuniger. Der Inländervorrang wird zum Hebel, der ältere Schweizerinnen und Schweizer zu Tausenden in die Arbeitslosigkeit treiben wird, der den hiesigen Arbeitsmarkt rettungslos den EU-Funktionären zu Brüssel ausliefert.

us

 

Das Volk wollte die Zuwanderung begrenzen und eigenständig steuern. Und das haben FDP und SP daraus gemacht. 
Symbolbild: Klicker / pixelio.de

 

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