Behauptungen und Tatsachen

Eigentlich könnte die Schweiz bezüglich Forschungs-Zusammenarbeit mit der EU ausgesprochen selbstbewusst auftreten. Ihre Polit-Exponenten gefallen sich indessen in einer eigentlichen Bettler-Position Brüssel gegenüber.

EU-NO Newsletter vom 17. November 2016

Die Schweiz hat aus eigener Kraft, aus eigenem Antrieb und aus eigenen Investitionen heraus einen global hervorragenden Innovations- und Forschungsplatz aufgebaut. Wenn demnächst Grossbritannien aus der EU ausscheidet, dann vergrössert sich das wissenschaftliche Gefälle Schweiz-EU weiter.

Der Schweizer Innovationsplatz ist weit weniger von der EU, um so stärker aber von hiesigen Rahmenbedingungen abhängig: Das Steuersystem, die Deregulierungsbemühungen, die weltweite Vernetzung und die Verzahnung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sind matchentscheidend dafür, ob man in der globalen Champions League bestehen kann oder nicht.

Gut vernetzt

Die Schweizer Forschungs- und Innovationsszene ist global sehr gut vernetzt. Die Schweizer Forschung ist nicht einseitig von der EU und deren Forschungsprogrammen abhängig. Unabhängig von der EU stehen der Schweiz alle Türen und Möglichkeiten offen. Die Champions League der Forschung spielt global, nicht regional.

Ziel muss eine universale, global orientierte Forschungs-Aussenpolitik sein. Die EU spielt im weltweiten Wissenschaftsumfeld eher eine Rolle zweiter Klasse. Die Schweiz ist gegenüber weltweit stattfindender Forschung alles andere als abgeschottet. 

Horizon 2020

Die Schweiz würde auch bei einem (realistischerweise keineswegs zu erwartenden) Ausschluss als Vollmitglied bei Horizon 2020 als vollassoziiertes Mitglied bei diesem Programm durch zahllose multilaterale, bilaterale, regionale und fachspezifische, völkerrechtlich bindende Verträge, Abkommen, Kooperationen und interuniversitäre Partnerschaften europäisch bestens vernetzt bleiben. Sie kann weiterhin als teilassoziiertes Mitglied oder Drittstaat an den Rahmenprogrammen in beschränktem Rahmen teilnehmen.

Schweizer Wissenschafter können ausserdem individuell über eine nicht-schweizerische Forschungsinstitution an einzelnen Projekten unbeschränkt teilnehmen; sie müssten sich allerdings an den Kosten beteiligen, könnten sich diese aber durch Fördermittel des Bundes rückerstatten lassen.

Nach dem Brexit

Der Brexit eröffnet neue Chancen echter bilateraler Spitzenforschung, in die die Schweiz die für Horizon 2020 reservierten Budget-Milliarden investieren kann – und dies für Forschungs- und Innovationsschwerpunkte, die den schweizerischen Interessen dienen und nicht einer spezifischen EU-Agenda unterliegen.

Wer bei dieser Sachlage schwarz malt und den Niedergang des Schweizer Forschungsstandorts bejammert, ist politisch motiviert, schlecht informiert oder aus rein materiellen Gründen am bisherigen Status interessiert.

Auch effizient?

Horizon 2020 ist in rein finanzieller Hinsicht europaweit unbestritten das führende Forschungsprogramm – die Frage ist nur, ob es auch das effizienteste, zielführendste und zweckmässigste ist. Die Gefahr, dass die Forschungsfreiheit von einem EU-bürokratischen Wissenschaftsmoloch durch Instrumentalisierung und politisches Agenda-Setting allmählich erstickt wird, ist real.

Die neuen militärischen Forschungsprogramme – beruhend auch auf einem neuen Zusammenarbeitsvertrag mit der Nato – bestätigen diese Entwicklung exemplarisch.

Das sind die eigentlichen Probleme, die am Horizont 2020 allmählich sichtbar werden. Ihnen ist aus Schweizer Sicht mit konsequenter Globalisierung von Wissenschaft, Forschung, Entwicklung und Innovation zu begegnen.

In der Schweiz hat sich eine regelrechte Forschungsbürokratie und Forschungslobby entwickelt. Aus rein materiell-finanziellen oder aber politischen Motiven unterläuft diese die Interessen der Schweiz, indem sie sich einseitig auf EU-Integration fokussiert. Sie ist dafür verantwortlich, dass als Folge solcher Einseitigkeit die für die Schweiz, für Europa und die Welt weit wichtigere globale Vernetzung beeinträchtigt wird.

 

Jürg Steinacher und Urs Vögeli

 

Symbolbild von Sebastian Bernhard / pixelio.de

 

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