«Flankierende Massnahmen»

Warum verlangt Brüssel von der Schweiz den Abschluss eines Rahmenvertrags? Weil Brüssel nicht länger duldet, dass es inmitten Europas ein Land gibt, das Brüssel-unabhängig über Fragen selbständig entscheidet, die Brüssels Bürokratie als «binnenmarktrelevant» eingestuft hat.

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Warum stehen die in der Schweiz gültigen «flankierenden Massnahmen» zur Personenfreizügigkeit im Visier Brüssels? Weil Brüssel nicht länger duldet, dass es inmitten Europas noch ein Land gibt, das eigenständig, ausgerichtet auf eigene Interessen die Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ausgestaltet. Brüssels Bürokratie hat diese Fragen längst als «binnenmarktrelevant» eingestuft, so dass die EU-Zentrale – von jeglicher demokratischen Mitbestimmung anderer Gewalten befreit – ganz allein darüber endgültig entscheiden kann.

Politisch und wirtschaftlich erfolgreich

Kommt dazu, dass dieser Schweiz, diesem seine Verhältnisse selbständig gestaltenden Land inmitten des EU-Territoriums längst weltweit Respekt gezollt wird für seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Wird ein Teil der Welt von einer Währungskrise befallen, flüchten die Betroffenen ihre Vermögen in die Schweiz – nicht in die EU. Die EU – mit dem Euro eigentlich Weltgeltung beanspruchend – ist dagegen Teil, Mitverursacherin von Krisen, weil ihre von Bürokraten und Funktionären erfundene Einheitswährung marktuntauglich ist.

Aus dieser Perspektive wird nachvollziehbar, dass die über Vertragsdetails offensichtlich gut informierten Spitzen der Gewerkschaften die heute noch bestehende Schweizer Souveränität über die Ausgestaltung der Sozialpartnerschaft nicht ohne weiteres aus der Hand geben wollen. Unterstünde die Schweiz bereits heute dem Rahmenvertrag, den Brüssel ihr aufzwingen will, würde Brüssel, würde letzten Endes der Europäische Gerichtshof über die Sozialpartnerschaft in der Schweiz entscheiden und zu Gericht sitzen. Definitiv entscheiden – ohne Mitspracherecht der Schweiz, ohne Mitspracherecht der Schweizer Arbeitgeber, ohne Mitspracherecht der Schweizer Gewerkschaften.

Erfahrung gegen diffuse Erwartungen

Während die Gewerkschaften um ihren Einfluss auf die Ausgestaltung der Sozialpartnerschaft fürchten, salbadern die Funktionäre der Arbeitgeberschaft in diffusen Erwartungen und kaum realistischen Hoffnungen. Man konnte sie aus freisinnigem Mund (Nationalrätin Christa Markwalder, Nationalrat Hans-Peter Portmann) im «Club» vom 14. August 2018 im Schweizer Fernsehen hören: Würde die Schweiz den Rahmenvertrag nicht übernehmen, wären – nicht näher bezeichnete – Wirtschaftseinbrüche zu erwarten, würde der bilaterale Weg in irgend einer Sackgasse verenden.

Zugegeben, entsprechende Drohungen verlauten nicht selten auch aus Brüssels Bürokratie – ausgesprochen mit erpresserischer Absicht, auf dass sich die Schweiz dem Rahmenvertrag endlich unterwerfe. Handfeste Nachteile aus einer Absage an den Rahmenvertrag weiss allerdings weder Brüssel noch Bundesbern glaubwürdig zu formulieren oder auch nur zu erkennen.

Rechtssicherheit?

Der Rahmenvertrag, behaupten hiesige Wirtschaftsfunktionäre, würde uns angesichts grundlegender Veränderungen in der Weltwirtschaft «Rechtssicherheit» gewährleisten. Was für eine Rechtssicherheit denn?

Der Rahmenvertrag, würde er je Tatsache, würde die Schweiz zwingen, die Gesetzgebung über alles, was Brüssel eigenmächtig als «binnenmarktrelevant», also als wichtig deklariert, an Brüssel abzutreten. Zugegeben: Solche Neuerung schüfe Rechtssicherheit. Jene «Rechtssicherheit», die dem blüht, der nichts mehr zu sagen hat. Die Schweiz käme in den «Genuss» der Rechtssicherheit einer Unterworfenen, eines entrechteten Staates, der von Brüssel in allen wichtigen Fragen gegängelt würde. Dies scheinen die Spitzen der Gewerkschaften – wenn auch spät – endlich erkannt zu haben, während die Arbeitgebervertreter sich vagen Hoffnungen und Erwartungen ergeben, Brüssel würde uns wohl ganz sicher «günstige Vertragsbedingungen» einräumen.

Demokratie erfordert Leistungsbereitschaft

Es wäre, sagen diese Arbeitgeberfunktionäre, mühsam, angesichts sich durchsetzender Veränderungen in der Wirtschaftswelt bilaterale Verträge mit Brüssel immer wieder neuen Bedingungen anpassen zu müssen. Sie müssten gegebenenfalls gar neu ausgehandelt oder neu ausgelegt werden.

Sicher: Würde Brüssel solche Verträge allein, nur seinen Wünschen und Interessen gemäss neu ausgestalten, hätten hiesige Funktionäre ein leichteres Leben. Könnte Brüssel über alle wichtigen Neuerungen allein entscheiden, alles Neue der Schweiz bloss diktieren: Das Leben für Funktionäre würde einfacher. Nichts zu sagen zu haben, bei Kongressen als Weisungsempfänger trotzdem dabei zu sein, das mag heutigen Funktionären als gleich attraktiv erscheinen, wie früher das Höflingsleben den dazu Auserwählten am Hof der Monarchen als attraktiv erschien.

Aber die Schweizerinnen und Schweizer, die grossen und kleinen Unternehmer, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, alle, die ihr Leben aus eigener Kraft, aus eigener Entscheidung gestalten, die hätten nichts mehr zu sagen, die wären entrechtet. Die direkte Demokratie wäre Vergangenheit.

Die Schweizer Bundesverfassung – ein Sonderfall

Die Schweiz – und darin ist sie Sonderfall – hat sich vor bald zwei Jahrhunderten eine nicht nur damals als einzigartig eingestufte Verfassung geschaffen. Darin ist die Möglichkeit der Verfassungs-Teilrevision einer ihrer wichtigsten Pfeiler. Die Verfassung ermöglicht sowohl dem Parlament, sowohl dem Bundesrat, aber auch dem Volk, jederzeit Anpassungen vorzuschlagen, in die Beratung einzuführen, schliesslich zu genehmigen oder abzulehnen, wenn neue Entwicklungen eintreten, die das Leben der Schweizerinnen und Schweizer betreffen.

Keine Generation ist davon befreit, aufgrund sich ergebender Entwicklungen unter Umständen grundlegende Entscheidungen treffen zu müssen. Genau dies erleichtern, ja ermöglichen die Verfassungsbestimmungen über Teilrevisionen in der offen gestalteten Schweizerischen Bundesverfassung. Dies wurde geschaffen für ein Volk und für ein Land, das gewillt ist, mit eigenständig erarbeiteten, aus eigener Erfahrung gewonnenen Erkenntnissen die Staatsordnung laufend, Schritt für Schritt zu erweitern, umzubauen, teilzuerneuern. Zugegeben, das verlangt von denen, die Entscheidungskompetenz haben –hierzulande von allen Bürgerinnen und Bürgern –, persönliche Anstrengung, persönliche Leistung. Dieser kann sich entledigen, wer wichtige Entscheidungskompetenzen nach Brüssel abtritt.

Aber er entrechtet sich damit auch.

Rahmenvertrag verlangt Unterwerfung

Aus der Diskussion um die Flankierenden erhält die Öffentlichkeit Anschauungsunterricht, was der Schweiz blüht, wenn Gesetzgebungskompetenz in wichtigsten Fragen an Brüssel abgetreten wird. Doch genau die Abtretung solcher Gesetzgebungskompetenz an Brüssel ist der Hauptzweck des Rahmenvertrags. Mit dem Rahmenvertrag strebt die Brüsseler Bürokratie die Unterwerfung der Schweiz unter ihre Vorherrschaft an. Es geht um Unabhängigkeit, es geht um Selbstbestimmung. Auf dem Spiel steht die direkte Demokratie – auch bezüglich Sozialpartnerschaft.

Bleibt die Demokratie intakt, kann die Schweiz über die Personenfreizügigkeit, welche die Streitereien um die Flankierenden ausgelöst hat, weiterhin eigenständig bestimmen. Unterwirft sich die Schweiz dem Rahmenvertrag, dann entscheidet in Einwanderungsfragen Brüssel allein. Endgültig! Dann wird die Schweiz als Opfer der von Brüssel institutionalisierten Masseneinwanderung als eigenständiges, demokratisches Land untergehen.

EU-No/us

Kommentare

  1. Wenn der Bundesrat und das Parlament Entscheidungen treffen, die nicht mit der Bundesverfassung konform sind, kann ich dann als Schweizer Bürger den Bundesrat oder das Parlament vor einem Schweizer Gericht anklagen? Bei welchem? Mit welchen Vorbedingungen? Es geht mir in erster Linie um die Nichtumsetzung des Volksentscheids gegen die Masseneinwanderung.

  2. Bei Schengen-Dublin ist unsere Regierung in die Falle der EU gegangen.Beides sofort kündigen und wieder perfekte und vollständige Grenzkontrollen.Das können alle Länder ausserhalb Europas.Nur wir anscheinend nicht. Wg. dem blöden Tourismus.Aber den haben andere Länder auch und lückenlose Ein- und Ausgangskontrollen.MFG

    H.G.Lips

    1. Richtig Herr Lips

      täglich lesen wir von Einbrüchen, brutale Vergewaltigungen ect. meistens durch Personen mit sog. Migrationshintergrund (früher Ausländer genannt)
      Das ist das Resultat unserer Globalisierung und EU
      Machtgehabe. Nur rigorose Grenzkontrollen und mehr Kompotenz an unsere Polizei bringen eine Besserung (wenn überhaupt nicht schon zu spät…)

  3. Hohe sprachliche und inhaltliche Qualität der eu-no Bulletins: Danke!

    Den Verfassern muss einmal ein Kränzchen gewoben werden: Begriffe staatsrechtlich korrekt angewendet, gekonnter Sprachstil konsequent auf Klarheit und Verständlichkeit ausgerichtet , Kongruent dazu die inhaltlichen Botschaften. So werden die Lesenden ernst genommen.
    Ganz im Gegensatz zu den meist verschwurbelten Leitartikeln, Berichten in Funk, Fernsehen und Presse aller politischen Richtungen-(Ausnahme Die Weltwoche.)

  4. Frau BR Leuthard und Herr Junker wollen gehen und den Rahmenvertrag auf Ihr „Konto“ schreiben, das ist alles.
    Also einfach mal Ruhe bewahren, warten bis der Brexit durch ist und die Wahlen. Die EU ist sowieso im Wandel und die Schweiz geht nicht unter, wenns mal einwenig „schwierig“ wird. FDP-Portmann und Markwalder argumentieren wie damals bei der EWR-Abstimmung : Die Schweiz verarmt, die Wirtschaft geht den Bach runter ……es gibt Arbeitslose etc., das hatten wir schon. Verhandeln wollen sie nicht, einfach stur Richtung EU.
    M.Brutschy

  5. Nie on die EU
    Nie einen Rahmenvertrag !

    Wir brauchen nie einen solchen einseitigen Vertrag. Wir bräuchten nachher (Bei Annahme)
    auch kein eigenes Parlament mehr, weil diese Räte nur auf Brüssel hören müssten.

    Unser Wilhelm Tell , würde sich im Grabe umdrehen könnte er solche irre Ideen aus Brüssel hören. Brüssel=Gessler !

  6. Finanzelle Aspekte sind für unser Land (über)lebenswichtig und da ist die Schweiz – ohne EU-Vögte – bisher sehr gut gefahren. Dabei nimmt das neutrale Verhalten unseres Landes eine sehr wichtige Rolle ein. Es gibt nicht nur die EU als Handelspartner, es stehen uns die wichtigen Türen der Welt so offen. Neben der finanziellen Seite kommt auch der Bürgerfreiheit eine prioritäre Rolle zu. Wir wollen bestimmen wie etwas in unserer geliebten Schweiz laufen soll. Mit unserem Votum an der Urne können wir das jetzt „noch“ tun. Daher dürfen wir unsere Freiheit aber auch nicht dem übergeordneten Recht opfern. Unsere Politiker sollten in Verträgen immer das sog. Kleingedruckte suchen – was aber offenbar nicht der Fall ist. Wähle also Leute die sich für die Schweiz nachweisbar einsetzen, nur so können wir die weitgehend unabhängige Freiheit erhalten.

  7. Wie lange will die EU-No noch dem Treiben der EU zuschauen?
    Wie lange soll das Schweizervolk noch das Treiben von den Linken und Roten noch ertragen?
    Es wäre an der Zeit wirklich etwas zu tun und zwar so schnell wie möglich, es ist eine Schande
    was die uns zumuten und Zerstören in unserer Schweiz. Wir werden vom Ausland langsam aber Sicher ausgelacht. Ich habe mit sehr vielen Deutschen geredet und was sage die alle:
    Schweizer lasst Euch nicht Unterkriegen von der EU sondern bleibt Standhaft, sonst seid Ihr
    gleich beschissen wie Wir. Lasst es nicht zu, dass man Euch durch den Rahmenvertrag vergewaltigt und demütigt. Hütet Euch von diesem Vertrag!!!!!

  8. Rechtssicherheit durch ein institutionelles Rahmenabkommen eine Fata Morgana! Wie leichtgläubig und naiv dürfen Politiker sein?
    Fremdes Recht damit eine Gewissheit. Der indirekte Weg in die EU!

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