Preisgabe der Souveränität rächt sich

Die nicht enden wollende Krise des Euro hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass in der Währungsunion die unterstützungsbedürftigen, vom Staatsbankrott bedrohten Länder in der Mehrheit sind gegenüber den Zahler-Staaten.

EU-NO Newsletter vom 19.02.2015

Die Zahler-Staaten, also in erster Linie Deutschland, aber auch Finnland und die Niederlande können von den immer neue Überbrückungszahlungen einfordernden überschuldeten EU-Mitgliedern jederzeit in die Minderheit versetzt werden. Diese Tatsache erschwert Reformen zur Gesundung des Euro ungemein.

Thilo Sarrazin, ehemaliger SPD-Finanzsenator von Berlin, dann dem Spitzengremium der Deutschen Bundesbank angehörend, inzwischen europaweit bekannter Bestseller-Autor («Deutschland schafft sich ab», «Europa braucht den Euro nicht», «Der neue Tugendterror»), beurteilt mit folgenden Worten die EU-Währungsunion als Fehlkonstruktion:

«… Deutschland wird künftig im Rat der europäischen Finanzminister genauso entmachtet sein wie heute schon die Bundesbank in der EZB [Europäische Zentralbank, Ergänzung der Red.]. So ist das, wenn man, wie im Falle der Währungsunion, souveräne staatliche Rechte weggibt in eine europäische Struktur, die dann entweder gar nicht richtig oder jedenfalls nicht in deutschem Sinne funktioniert. Mit der Währungsunion wurde eine funktionsfähige nationale Kompetenz um der europäischen Idee willen gegen eine mängelbehaftete europäische Kompetenz eingetauscht. In schöner Anschaulichkeit führt uns der Fall Griechenland die Konsequenzen vor.

Nicht anders ist es mit dem Schengen-Abkommen: Ein funktionierendes nationales Grenzregime wurde in ein nicht funktionierendes europäisches Grenzregime eingetauscht. Asylbewerber und illegale Einwanderer reisen zu Hunderttausenden aus Griechenland und Italien weiter nach Norden. Diese kümmern sich genauso wenig um ihre vertraglichen Pflichten als Aufnahmeland, wie sie sich um die Sparvorgaben unterschiedlicher Konsolidierungspakte scheren.

Im Kleinen wird in der EU ständig das wiederholt, woran sie im Grossen bereits gescheitert ist: Ein neues Spielzeug, über das mir ein Beamter aus dem Justizministerium voll Entsetzen berichtete, ist die Idee des europäischen Staatsanwalts. Ohne dass es ein europäisches Strafrecht oder eine europäische Strafprozessordnung gibt, soll künftig eine europäische Staatsanwaltschaft in allen Ländern der EU Anklage erheben können, wenn es ihr denn so gefällt. Die zuständigen Beamten des Justizministeriums haben nicht einmal einen Adressaten, dem sie ihre Bedenken vortragen können. Auf den Fluren des Ministeriums hört man dazu, das Ganze sei an hoher Stelle politisch gewünscht und das Auswärtige Amt dränge, damit es keinen Ärger in Europa gebe.

Genauso begann es im Frühling 1989 im Bonner Finanzministerium mit dem Euro. Ich war dabei.»

 

(Quelle: «Weltwoche» Nr. 6, 05.02.2015)

 

 

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