Aufsehenerregender Entscheid des EU-Gerichtshofs

In der Schweiz steht die SVP-Volksinitiative, welche dem Schweizer Recht den Vorrang vor internationalem Recht sichern will, unmittelbar vor der Lancierung. Sie wird von Brüssel-orientierten Juristen schon im Vorfeld massiv attackiert. Dies ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, da der EU-Gerichtshof der Europäischen Union untersagt, der Europäischen Menschenrechtskonvention beizutreten.

EU-NO Newsletter vom 19.02.2015

Die europhilen Schweizer Juristen werfen der SVP vor, sie wolle die Schweiz per Volksinitiative zwingen, sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) – einem Grundpfeiler der Menschenrechts-Respektierung – zu verabschieden, was einem Rückfall in gleichsam barbarische Verhältnisse gleichkomme.

In Wahrheit wird die EMRK von der SVP-Initiative nicht angegriffen, wohl aber die oft weltfremde, teilweise gar bizarre Auslegung dieser Konvention durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg. Dieser hat mit spitzfindiger, skurriler Rechthaberei selbst ausländische Schwerverbrecher vor der Ausweisung aus dem Land, in dem sie straffällig geworden sind, bewahrt. Täterschutz vor Opferschutz scheint in Strassburg Richtschnur zu sein.

Einem Erdbeben gleich trifft jetzt ein Entscheid des in Luxemburg domizilierten EU-Gerichtshofs die europhilen Juristen. Der EU-Gerichtshof – dessen Rechtsprechung der Bundesrat und seine Juristen auch die Schweiz unterstellen möchten – verbietet der EU den Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). In der NZZ wird der Vorgang wie folgt kommentiert:

«Viele Juristen sind fassungslos: Der EuGH, der Gerichtshof der EU, hat sich schon wieder danebenbenommen. Was ist geschehen? Die Mitgliedstaaten der EU haben mit dem Vertrag von Lissabon 2009 entschieden, dass die Union der EMRK beitreten wird. Damit soll das Handeln der EU einer externen Grundrechtskontrolle unterzogen werden, am Massstab der EMRK. Der hierfür zuständige Spruchkörper ist der EGMR [der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, Ergänzung Red.] in Strassburg, nicht der EU-Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Die genauen Modalitäten des Beitritts – auch das Verhältnis der beiden Gerichte untereinander und das Verhältnis zu den nationalen Gerichten – wurden in einem Übereinkommen über den Beitritt geregelt. Über dieses Übereinkommen durfte nun auf Antrag der Kommission der EuGH zu Gericht sitzen. Das Ergebnis ist verheerend: Aus tausenderlei Gründen, so der EuGH, verstösst das Übereinkommen gegen das Unionsrecht.»

Man fragt sich ernsthaft: Wie kann der Bundesrat im sich derzeit in der Phase der Aushandlung befindenden «Rahmenvertrag» der EU weiterhin anbieten, die Schweiz wolle sich in allen von bilateralen Vereinbarungen berührten Belangen vorbehaltlos dem EU-Gerichtshof unterstellen, während genau dieser EU-Gerichtshof der EU den «Rückfall in die Barbarei» verordnet…?

 

(Quelle: NZZ, 29.01.2015, Autor des Kommentars: Prof. Dr. Ulrich Haltern, Freiburg i. Br.)

 

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