Economiesuisse verlangt mehr ausländische Arbeitskräfte

Jan Atteslander, Leiter Aussenwirtschaft im wichtigsten Schweizer Wirtschaftsverband Economiesuisse, plädiert für schrankenlose Grenzöffnung, auf dass «die Wirtschaft» noch mehr ausländische Arbeitskräfte einstellen könne. Dass er damit zur Explosion der Sozialhilfekosten in unserem Land beiträgt, blendet er aus.

EU-NO Newsletter vom 20.08.2015

Jan Atteslander begründet seine Forderung nach zusätzlichen ausländischen Arbeitskräften mit folgendem Geschichtlein, das hier wörtlich widergegeben werden soll:

«Wie bereits am Vortag fallen kurz vor Sonnenaufgang die drei Velofahrer am Mont-Vully auf. Es sind keine Touristen. Ob sie zur Ernte fahren oder zum Baugeschäft? Eher Ersteres, für den Bau ist es um 05.20 Uhr noch etwas früh. Ohne die drei – wahrscheinlich Erntehelfer aus der EU – würde das Gemüse nicht auf unserem Teller landen.»

Jan Atteslander kommentiert dieses von ihm präsentierte Geschichtlein dann folgendermassen:

«In diesem Jahr sind bisher 6‘500 Personen aus der EU zum Arbeiten in die Schweizer Landwirtschaft eingewandert (brutto, Kurz- und Langzeitaufenthalter)».

Man könnte fast glauben, die Bauern wären ohne uneingeschränkte Personenfreizügigkeit verloren. So, als ob in der Schweiz zu jener Zeit, als es noch keine Personenfreizügigkeit mit der EU gab, sämtliche Ernten mangels ausländischer Erntehelfer ausnahmslos verfault wären.

Verzerrungen

Das ist purer Unsinn. Seit Jahrzehnten beschäftigen landwirtschaftliche Betriebe – vor allem zu Erntezeiten – auch Ausländer. Solange diese anständig bezahlt und anständig behandelt werden, wollten und wollen denn auch Jahr für Jahr viele Ausländer in der Schweizer Landwirtschaft arbeiten. Vor Einführung der Personenfreizügigkeit bestimmte die Schweiz gemäss von ihr selbst geschaffenen Gesetzen, wer kommen durfte und wer nicht. Eigentlich handelt jedes Land auf diesem Erdball nach solchen Gesichtspunkten. Jedes Land hat die uneingeschränkte Möglichkeit, Ausländer, die es für den Gang seiner Wirtschaft benötigt, ins Land zu holen. In der Schweiz sind Ernten nie verfault, weil – auch in Zeiten vor der Personenfreizügigkeit – die Arbeitskräfte für die Erntearbeiten gefehlt hätten.

Profit für Betriebe – Verluste den Steuerzahlern?

Offensichtlich genügt das Economiesuisse nicht. Economiesuisse will vielmehr, dass Masseneinwanderung stattfindet. So dass die Economiesuisse angeschlossenen Wirtschaftsbetriebe aus einer grossen Masse eingewanderter Personen diejenigen Arbeitskräfte auswählen können, die ihrem Betrieb und seinen Führungskräften den höchsten Profit einbringen. Das ist an sich nicht ehrenrührig.

Fragwürdig aber wird dieses Konzept, wenn die Wirtschaft zwecks Erzielung hoher Profite einerseits aus Tausenden auswählen will, andererseits die von ihr nicht Ausgewählten aber der öffentlichen Hand und ihrer Sozialhilfe – also den Steuerzahlern – überantwortet.

Offenbar hat die seit einiger Zeit in allen Landesteilen stattfindende Explosion der Sozialhilfekosten in den Gemeinden die Ohren und Augen der Schreibtisch-Funktionäre von Economiesuisse noch nicht erreicht. Deshalb scheinen sie auch noch nicht zu erfassen, dass der daraus entstehende Steuerdruck den Wirtschaftsstandort Schweiz massiv zu beeinträchtigen beginnt: Wirtschaftsrelevante Zusammenhänge, die Economiesuisse stur ausblendet.

Quelle: NZZ, 5. August 2015: «Für eine faktenbasierte Europapolitik», Gastkommentar von Jan Atteslander

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