Behauptungen und Fakten

Das Ja von Volk und Ständen vom 9. Februar 2014 zur Initiative gegen die Masseneinwanderung verlangt nach Neuaushandlung des Personenfreizügigkeits-Vertrags mit der EU. Werden dadurch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union gefährdet?

EU-NO Newsletter vom 23.12.2015

Die Gegner jeglicher Beschränkung der Masseneinwanderung behaupten, dass Massnahmen zur Reduktion der Einwanderung nicht nur die Personenfreizügigkeit, vielmehr alle Verträge des Pakets Bilaterale I gefährden würden, womit die Wirtschaftsbeziehungen Schweiz-EU insgesamt bedroht seien. Diese Behauptung ruft nach Klarstellung der Faktenlage.

Erstrangige Tatsache ist: Grundlage der Wirtschaftsbeziehungen Schweiz-EU ist der 1972 abgeschlossene Freihandelsvertrag. Als dieser Vertrag unter Dach war, erläuterte der Bundesrat dem Schweizer Volk gegenüber die Bedeutung dieses Vertrags wie folgt:

«Ziel der Freihandelspolitik der Schweiz ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaftsbeziehungen mit wirtschaftlich bedeutenden Partnern. Den schweizerischen Wirtschaftsakteuren soll gegenüber ihren wichtigsten Konkurrenten ein möglichst stabiler, hindernis- und diskriminierungsfreier Zugang zu ausländischen Märkten verschafft werden».

Eine solch geordnete, diskriminierungsfreie Grundlage für gute Wirtschaftsbeziehungen wurde mit dem Freihandelsvertrag gegenüber der Europäischen Union offensichtlich erreicht. Das seit dem 1. Januar 1973 in Kraft stehende Freihandelsabkommen erweist sich damit als die Garantin ausgeglichen guter Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Das heisst nicht, dass die Bilateralen Verträge I bedeutungslos seien. Sie präzisieren in den damit einzeln angesprochenen Sachbereichen geltende Rahmenbedingungen. Damit sind sie durchaus wichtig. Ihr Wegfall würde die Schweiz indessen keineswegs in die Verelendung stürzen. Der Wegfall dieser Verträge ist aber auch unwahrscheinlich, weil die EU daraus – insbesondere aus dem Vertrag über den Transitverkehr – eher mehr Vorteile zieht als die Schweiz.

Eine Kündigung dieser Verträge durch die EU ist daher unwahrscheinlich, zumal dafür ein einstimmiger Beschluss aller heute der Europäischen Union angehörenden 28 EU-Mitgliedländer erforderlich wäre – was in der Realität kaum erreichbar sein dürfte.

Auch bestimmte Wirtschaftszahlen sind geeignet, die Bedeutung der Bilateralen I in einen realistischeren Zusammenhang zu stellen, als dies die Befürworter uneingeschränkter Masseneinwanderung zu tun pflegen: 2001, also im letzten Jahr vor Inkrafttreten der Bilateralen I, gingen noch 62 Prozent aller schweizerischen Ausfuhren in Länder der Europäischen Union. 2014 – mit  Bilateralen I und II mitsamt Personenfreizügigkeit –  hatten indessen nur noch 45 Prozent der schweizerischen Ausfuhren ein Ziel in der Europäischen Union. Dieser Rückgang illustriert den wirtschaftlichen Bedeutungsverlust, den die Europäische Union im Blick auf die Weltwirtschaft in den letzten Jahren hinzunehmen hatte. Die Wachstumsmärkte liegen für die Schweiz nicht in Europa, sie liegen in den USA, in Fernost und in Südamerika.

Fakten, die wohl geeignet sind, in der gegenwärtigen Diskussion Tatsachen und Behauptungen auseinander zu halten.

us

Zahlen gemäss Bundesamt für Statistik

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