Seltsame NZZ-Berichterstattung

In einem am 1. September erschienenen Beitrag lobt die NZZ den zügigen Fortgang der Verhandlungen Brüssels mit den «Zwergstaaten» Monaco, San Marino und Andorra im Blick auf ein Rahmenabkommen, das die «institutionelle Einbindung» dieser drei Kleinststaaten in die EU festschreiben soll.

EU-NO Newsletter vom 3. September 2015

Zunächst stellt die NZZ zu Recht fest, dass die EU den drei Zwergstaaten einen im wesentlichen gleichen Rahmenvertrag aufdrängen will, wie sie ihn auch der Schweiz zumutet. Die Zwergstaaten müssen gemäss dem von Brüssel forcierten Rahmenvertrag alles von EU-Instanzen beschlossene Folgerecht zu bisherigen und künftigen Vereinbarungen automatisch übernehmen. Und sie müssen den EU-Gerichtshof als unanfechtbare letzte Instanz anerkennen, die über Meinungsverschiedenheiten zu Vertragsauslegungen abschliessend urteilt. Zwar wird den Zwergstaaten – so wie dies auch gegenüber der Schweiz vorgesehen ist – sog. «dynamische Übernahme» von EU-Vorgaben gestattet – also eigenständige Nachvollzugsbeschlüsse, zu denen es gegenüber den Brüsseler Vorgaben allerdings keine Alternativen geben darf. Jede Abweichung von Brüssels Vorstellungen würde der EU den Erlass von Sanktionen gegen die Zwergstaaten gestatten. Diesen drei Zwergstaaten wird damit das gleiche Untertanenverältnis Brüssel gegenüber zugemutet, das die EU auch Bern aufzwingen will.

Alarmierend ist, dass der den zügigen Verhandlungsfortgang zwischen Brüssel und den Zwergstaaten lobende NZZ-Bericht nicht das geringste Bemühen erkennen lässt, den Unterschied z.B. zwischen Monaco und der Schweiz irgendwie in Betracht zu ziehen: Die erwähnten Zwergstaaten verfügen bekanntlich lediglich über beschränkte Souveränität. Sie sind – ohne eigene Armeen – weder in ihrer Sicherheits- noch in ihrer Finanzpolitik souverän. Im Gegensatz zur Schweiz können sie nur in beschränktem Sinn als eigenständige Staaten erkannt werden.

Interessant aber sind die NZZ-Ausführungen zur Art und Weise, wie die Übernahme von Urteilen des EU-Gerichtshofs durch die per Rahmenvertrag zur «institutionellen Einbindung» in die EU-Strukturen verpflichteten Zwergstaaten zu erfolgen hat. Die NZZ korrigiert in ihrer Berichterstattung Äusserungen, die Bundesrat Burkhalter zum vorgesehenen Verhältnis der Schweiz dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegenüber abgegeben hat, wörtlich wie folgt:

«Ursprünglich hatte der Bundesrat die Illusion verbreitet, der EuGH erstelle in diesem Modell lediglich unverbindliche Gutachten zuhanden des Gemischten Ausschusses Schweiz-EU – als ob das oberste EU-Gericht eine Universität wäre. Die Frage stellt sich jetzt in den konkreten Verhandlungen anders: Was passiert, wenn die Schweiz in einem Streitfall ein EuGH-Urteil nicht akzeptiert? Von punktuellen Gegenmassnahmen bis zur Auflösung eines ganzen Vertragspakets ist vieles denkbar. In diesem Punkt hat bisher keine Annäherung stattgefunden.»

Die NZZ bestätigt damit: Schliesst die Schweiz tatsächlich ein Rahmenabkommen mit der EU, so wie das der Bundesrat offensichtlich will, dann wäre das Diktat von EU-Richtern über die Schweiz die zwangsläufige Folge. Dann würden fortan fremde Richter fremdes Recht über die Schweiz anwenden. Keine Spur mehr von schweizerischer Mitsprache als «bilateraler Verhandlungspartner».

 

Quelle: «Drei Zwergstaaten spuren vor», «NZZ», 1. September 2015

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