Ständerat verlauert rechtzeitige Behandlung

Als die aussenpolitische Kommission des Nationalrats im Herbst 2013 das Mandat zu Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU über die «institutionelle Einbindung» unseres Landes in die Strukturen der EU diskutierte, wurde der Bundesrat per Kommissions-Vorstoss aufgefordert, das 1992 in Brüssel deponierte Schweizer Gesuch über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU endlich zurückzuziehen.

EU-NO Newsletter vom 25. Juni 2015

Bundesrat Burkhalter gab damals zur Antwort, dass solcher Rückzug unmöglich geworden sei, weil – wie Abklärungen in Brüssel ergeben hätten – das Gesuch in den Papierbergen der Brüsseler Bürokratie trotz intensiver Suche heute «nicht mehr auffindbar» sei. Darauf beschloss die Kommission – wozu Bundesrat Burkhalter zustimmend nickte – das 1992 eingereichte EU-Beitrittsgesuch der Schweiz formell als «gegenstandslos» zu erklären. Schliesslich ist nicht völlig undenkbar, dass das Schweizer Gesuch aus Brüssels Papierbergen irgendwann einmal wieder zum Vorschein kommt.

Dieser Beschluss der Kommission wurde vom Plenum des Nationalrats bestätigt und ging darauf zur entsprechenden Beschlussfassung in den Ständerat. Dessen aussenpolitische Kommission setzte die Behandlung allerdings aus. Es sei dazu zunächst ein bundesrätlicher Bericht zu verlangen und zu diskutieren. Unter diesem Vorwand wurde die Behandlung des Geschäfts auf einen Zeitpunkt nach den Eidgenössischen Wahlen vom 18. Oktober 2015 hinausgeschoben.

Hinter der Lust auf zusätzlichen Bericht steht allerdings wohlberechnetes Kalkül. Das wahre Motiv der verzögerten Behandlung des Nationalrats-Beschlusses erklärt sich daraus, dass parlamentarische Vorstösse, welche zwei Jahre nach ihrer Einreichung nicht abschliessend behandelt worden sind, automatisch aus Abschied und Traktanden fallen. Indem der Ständerat die Behandlung des Nationalrats-Beschlusses hinausschiebt, kann er den Vorstoss killen, ohne dazu ausdrücklich Nein sagen zu müssen.

Ob solch offensichtliche Hintertreibung eines Beschlusses als Einladung zu deuten ist, den Standesherren und -damen ehrenvolle Wiederwahl im kommenden Herbst zu sichern?

us

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