Kopfloser Aktivismus oder Ratlosigkeit?

Einerseits beklagt der Bundesrat, die EU verschliesse sich einer «Paketlösung» zu allen zwischen Bern und Brüssel hängigen Fragen. Andererseits hat er zur Aushandlung dieser «Paketlösung» in der Person von Botschafter Jacques de Watteville soeben einen Schweizer «Chefunterhändler» ernannt. Diesem fehlt in Brüssel allerdings ein Verhandlungspartner. Er hat «Verhandlungen» zu führen, welche die Gegenseite zu führen offensichtlich gar nicht bereit ist.

EU-NO Newsletter vom 20.08.2015

Ob der Bundesrat mit dieser seltsamen – und bereits auch breit kritisierten – Ernennung einfach pauschale Entschlossenheit zu neuen Verhandlungen plakatieren will? Dazu bleibt die Landesregierung der Öffentlichkeit eine Antwort vorderhand schuldig.

Tatsache ist indessen, dass Vorverhandlungen und Konsultationen zu mehreren Sachbereichen längst im Gang sind. Der Pendelverkehr zwischen Brüssel und Bern verzeichnet jedenfalls hohe Frequenz. Verhandelt wird sicher zur Energiefrage, sicher auch zu Finanzplatz-Fragen. In diesem Zusammenhang hat die EU ihr angeblich kategorisches Nein zu weiteren bilateralen Vereinbarungen offensichtlich gebrochen. Die eilfertig-untertänige Bereitschaft seitens der Schweizer Landesregierung, der EU den Automatischen Informationsaustausch (AIA) zu allen grenzüberschreitenden Bankgeschäften einzuräumen, hat die EU jedenfalls sofort in ein formelles Abkommen gegossen.

Vor den Nationalratswahlen spielt der Bundesrat offensichtlich auf Zeit – und dies erst noch mit verdeckten Karten. Was er mit Brüssel gegenwärtig abkartet, dürfte er der Schweiz wohl kurz nach den Parlamentswahlen am 18. Oktober in Form eigentlicher Überraschungs-Coups präsentieren.

Quelle: SonntagsZeitung, 16. August 2015: «Superdiplomat ohne Dossier» (u.a.)

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