Zur Griechenlandkrise und den Lehren daraus für die Schweiz

Im Prinzip lässt mich das Triumphgeschrei der Linken zum überraschenden Erfolg der Hellenen kalt. Ich bin aber über diesen epochalen griechischen Sieg über die Tyrannei der «Vereinigten Bürokraten von Europa», die ihm seine «menschenverachtenden» Bedingungen aufzwingen wollten, ebenfalls hoch erfreut.

EU-NO Newsletter vom 8. August 2015

Ein Leserbrief, erschienen in der «Neuen Zuger Zeitung»

Griechenland hat, als Wiege der Demokratie, für die Schweiz und alle anderen demokratischen Staaten Europas eine Lanze gebrochen. Alexis Tsipras und sein Team sind gewiefte Taktiker und wissen ganz genau, dass sie am längeren Hebel sitzen. Die EU kann sich weder einen Grexit noch den Bankrott eines Mietgliedlandes leisten. Es werden dazu aber ein schmerzhafter Schuldenschnitt und neue Investitionskredite nötig sein.

Beobachter

Portugal, Spanien und Italien werden jedes Entgegenkommen mit Argusaugen beobachten. Ein Dominoeffekt bei allzu pfleglichem Umgang mit den Griechen ist höchst wahrscheinlich. Die EU-Südländer würden sofort mit eigenen Nachlassforderungen aufkreuzen. Die Slowakei, Tschechien und die baltischen Staaten, alle mit einem tieferen Lohnniveau als Griechenland, werden sich fragen, warum sie diese Misswirtschaft zu Lasten ihrer eigenen, nicht auf Rosen gebetteten Bürger mitfinanzieren müssen.

Der französische Präsident wird von Merkel überall hin mitgeschleppt, obwohl er wohl eher eine Belastung darstellt und sein Land selbst vor der Zahlungsunfähigkeit steht. Was passiert, wenn die französischen Banken in Griechenland einen Totalabschreiber vornehmen müssen? Stehen wir dann vor dem Zusammenbruch nicht nur der Eurozone, sondern der ganzen diktatorischen Fehlgeburt EU? Wie willkommen wäre da dieses kleine «geostrategische Unding» im Herzen Europas! Mit einem «schleichenden Zwangsbeitritt» könnte man doch diesen widerspenstigen Eidgenossen mal so einen richtigen «Haircut» verpassen!

Die Ursachen

Zur Ehrenrettung Griechenlands sei noch erwähnt, dass die verfahrene Situation gänzlich auf dilettantische Handhabung der Zinssätze und die leichtsinnige Vergabe von Anleihen durch die Europäische Union und ihrer Banken zurückzuführen ist. Ich habe einmal das Beispiel eines Kleinkindes erwähnt, dem man eine grosse Schachtel Süssigkeiten hinstellt. Es wird alle auf einmal essen und sofort mehr verlangen. Die Verantwortung dafür tragen die Erwachsenen.

Schlussfolgerungen für die Schweiz

Bleibt die Frage, was und wie die Schweiz von der Verhandlungstaktik der Griechen lernen kann. Ist der Bundesrat überhaupt lernfähig, oder fühlt er sich durch die Drohungen und schroffen Absagen der EU noch mehr eingeschüchtert? Der Bundesrat zerbricht sich wegen der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative den Kopf, weil diese mit der Personenfreizügigkeit der EU unvereinbar sei.

Ja, ist denn das Vorgehen der EU mit der wirtschaftlichen Situation Griechenlands vereinbar? Ist ein Partner, der mehrfach seine eigenen Gesetze und Grundsätze vorsätzlich und opportunistisch gebrochen hat (Maastricht und Lissabon), überhaupt noch vertrauenswürdig?

Die Schweiz ist nicht Griechenland! Wenn das wirtschaftlich schwache Griechenland die undemokratische EU erfolgreich in einen Entscheidungsnotstand bringen und ihr Konzessionen abringen kann, sollte es doch der wirtschaftlich viel stärkeren Schweiz gelingen, die EU zu Konzessionen zu «zwingen». Die Schweiz kann der EU unter den gegebenen Vorzeichen nicht gleichgültig sein.

Aber unser Problem ist nicht die EU, sondern unser anpasserischer, schwächlicher, ratloser und verzagter Bundesrat, der dies der EU auch bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit vor Augen führt.

Robert Nieth

Quelle:

«Auch die Schweiz kann der EU Konzessionen abringen», Leserbrief von Robert Nieth, Walchwil, Neue Zuger Zeitung, 10. Juli 2015 (Titel und Zwischentitel durch Red. Bulletin EU-No)

 

 

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