Rede von Alt-Bundesrat Christoph Blocher an der Mitgliederversammlung der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz AUNS, vom 2. Mai 2015 im Hotel National in Bern.
Herr Präsident,
Damen und Herren Nationalräte,
Mitglieder, Freunde und Gäste der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz,
Liebe Mitkämpferinnen und Mitkämpfer,
Getreue, liebe Mitlandleute,
Liebe Frauen und Männer!
Gründung der AUNS
Wir sind zu einem Gedenktag zusammengekommen. Ich freue mich!
Wir feiern heute dankbar, dass vor 30 Jahren die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) gegründet worden ist.
Es ist die Gnade meiner frühen Geburt, dass ich mich an diese Tage der Geburt noch gut erinnern kann.
Ich will ihnen kurz die Geburtsgeschichte erzählen. Dabei tue ich es alleine auf grund meiner Erinnerung: Es war 1985 – noch vor der parlamentarischen Debatte über den Beitritt der Schweiz zur politischen UNO. An all den humanitären und gesellschaftlichen Unterorganisationen der Vereinten Nationen hat sich unser Land ja seit Jahrzenten beteiligt. Nicht aber an der politischen UNO – weil dies der schweizerischen bewaffneten Neutralität widerspricht.
Als damals junger Nationalrat rief ich Otto Fischer an, den langjährigen, markanten und standfesten freisinnigen Nationalrat. Und dies obwohl er bereits 1983 zurückgetreten war. Ich fand, man müsse bereits vor der Debatte im Nationalrat ein Komitee gegen den UNO-Beitritt gründen. Und er, Fischer sollte als erfahrener Fuchs den Abstimmungskämpf führen. Fischer erklärte sich dazu bereit, stellte aber die Bedingung, dass ich das Präsidium oder zumindest das Co-Präsidium übernehme. Wir handelten so: Fischer (FDP), Paul Eisenring (CVP-Nationalrat) und Blocher (SVP) wurden Co-Präsidenten und Fischer der Geschäftsführer: Alles funktionierte neben- und ehrenamtlich. Wir gewannen dann die Abstimmung.
Nach diesem Urnengang blieb ein Komitee gegen den UNO-Beitritt mit etwa 5’000 Mitgliedern, und noch Geld in der Kasse. Was tun?
Weil wir während des Abstimmungskampfes gemerkt hatten, dass auch bürgerliche Politiker nicht mehr eindeutig zu den schweizerischen Staatsäulen standen, waren wir uns sicher, es musste etwas Dauerhaftes ins Leben gerufen werden.
So sagte beispielsweise Bundesrat Rudolf Friedrich im UNO-Abstimmungskampf von 1986: „Die Neutralität ist zu relativieren.“[1] Wir erschraken, dass ein so genannter Rechtsfreisinniger plötzlich so über unsere bewährte Staatsmaxime sprach. Andere schwindelten sich und dem Volk etwas vor: Die Neutralität sei überhaupt nicht betroffen. Und heute – nachdem 1994 eine zweite UNO-Abstimmung über die Blauhelme verloren gegangen war, will die Classe politique sogar in den UNO-Sicherheitsrat, wo über Krieg und Frieden entschieden wird. Und immer noch behaupten sie, die Neutralität sei nicht betroffen! Der Jurist Luzius Wildhaber erklärte damals im Fernsehen staatsmännisch: „Die UNO ist wie die Welt.“[2] Man verwechselte tatsächlich die Betriebsamkeit einer Organisation im Glaspalast in New York mit der weltweiten Lebenswirklichkeit!
Wer nicht mitmachen wollte, wurde als weltfremder Hinterwäldler verspottet. Aber es war schon immer so: Internationale Organisationen, Konferenztourismus, hochtrabende Konferenzen, die medialen Blitzlichtgewitter faszinieren Regierende, Minister, Funktionäre, Verwaltung und Bürokraten. Sie erliegen gerne dem Reiz der Grösse und dem Glamourösen und glauben im Machtrausch, sie seien die Welt selbst. Unsere Bundesräte fanden schon damals immer mehr Gefallen an Auslandreisen. Sie fanden es angenehmer, auf roten Teppichen Ehrenformationen abzuschreiten, als vor der widerspenstigen Bevölkerung mühsame Vorlagen zu vertreten.
Das hat sich noch verstärkt: Nicht weniger als 32 Auslandreisen hat zum Beispiel Aussenminister Didier Burkhalter im letzten Jahr unternommen![3] Er war also so gut wie nie daheim. Viel herausgeholt für unser Land hat er dabei nicht, ausser, dass er 3000 Syrier mit Familie, Sack und Pack grosszügig ins Land holen will! Wir spürten bereits damals die drohende Aufweichung der Neutralität durch die Classe politique, auch wenn von einem EU-Beitritt damals nicht die Rede war.
Unser Gespür liess uns nicht im Stich. Bundesräte und Chefbeamte drängten ins internationale Milieu. Darum gründeten wir nach der UNO Abstimmung – aus dem bestehenden Komitee gegen den UNO-Beitritt – die Aktion für eine unabhängige neutrale Schweiz (AUNS).
Die meisten Mitglieder des UNO-Nein-Komitees traten der AUNS bei. Obwohl gesundheitlich angeschlagen, stellte sich Otto Fischer wieder als Geschäftsführer zur Verfügung. Wieder insistierte er: „Du musst Präsident machen und kämpfst als Redner an der Front, ich erledige als Geschäftsführer die Arbeit und sorge mit meinem Netzwerk für die nötigen Kontakte“. Als Vizepräsident gewannen wir erneut den einflussreichsten Wirtschaftspolitiker der CVP, Nationalrat Paul Eisenring. Nachdem 1986 dann das Schweizer Volk mit einer Mehrheit von sage und schreibe 75,5 Prozent und mit sämtlichen Ständen – sogar Genf als UNO-Standortkanton stimmte mit fast 70 Prozent gegen die UNO-Vorlage – abgelehnt hatte, war der Zulauf von Parlamentariern zur AUNS und zu dessen Vorstand gross: (Wie üblich, wollten alle bei den Siegern sein.) So waren schliesslich auch Ernst Mühlemann, Jean-Pierre Bonny und Hans Letsch von der FDP oder Edgar Oehler von der CVP und weitere andere National- und Ständeräte mit dabei.
Die Wirtschaft stand damals bei der UNO-Abstimmung von 1986 noch auf unserer Seite. Darum lag auch noch etwas Geld in unserer Anti-UNO-Kasse. Dies war ein willkommener Zustupf für die neue Kampforganisation AUNS. Ich höre noch heute Freund Otto Fischer: Wir werden das Geld bald brauchen, denn Aussenminister Pierre Aubert wird sicher bald wieder irgendeine neue Dummheit begehen!“
Und so kam es auch. Zuerst wurde die AUNS, aber intern geschüttelt. Und das kam so: Als das Parlament Ende der 1980er Jahre mittels einer Parlamentsreform eine erhebliche Erhöhung der Parlamentarierentschädigung verabschiedete, ergriff ich zusammen mit Studenten der damaligen Handelshochschule (HSG) St. Gallen das Referendum. Und Otto Fischer – kurz entschlossen – verschickte die Unterschriftenbogen den AUNS-Mitgliedern. Seine Begründung: „Die Parlamentsreform führt zu Berufsparlamentariern und denen ist das eigene Wohl näher als die Unabhängigkeit der Schweiz. Also muss die Reform im Interesse der Unabhängigkeit und Neutralität verhindert werden“.
Dieser Versand führte zu einem Eklat im AUNS-Vorstand: Zahlreiche Nationalräte traten unter Protest aus dem Vorstand aus, weil sie gerne von höheren Entschädigungen profitiert hätten. Es blieben nur noch die aktiven Parlamentarier, Paul Eisenring. Hans Letsch und Christoph Blocher im Vorstand übrig.
Als noch junger Politiker war ich etwas erschrocken über diese Rücktritte. Aber Otto Fischer tröstete: „Lass sie ziehen! Parlamentarier, die eigennützig auf ihren eigenen Vorteil schielen, taugen sowieso nicht für den Kampf für unser Land!“
Und so kam es: Die meisten – vor allem der freisinnige Nationalrat Ernst Mühlemann – engagierte sich später zuvorderst für den EWR-EU Beitritt und damit gegen die Unabhängigkeit und Neutralität.
Otto Fischer brummelte: „Du siehst, so billig wären wir solche vaterlandslose Gesellen nie losgeworden!“
1992: Die Verhinderung des EU-Beitritts
Doch nun stand die bisher grösste Herausforderung der AUNS noch bevor: Der Kampf gegen den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), zum Zwecke des EU-Beitritts im Jahre 1992. Wörtlich schrieb der Bundesrat: „Unsere Teilnahme am EWR kann nicht mehr als das letzte Wort in unserer Integrationspolitik gelten. Sie ist im Rahmen einer Europa-Strategie zu sehen, die in zwei Phasen ablaufen soll und den vollumfänglichen Beitritt der Schweiz zur EG zum Ziel hat.“[4]
Das war zweifellos die wichtigste Volksabstimmung des 20. Jahrhunderts.
Meine Damen und Herren, wie kam es zu diesem ungeheuerlichen Akt gegen die Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz?
Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 verloren Politiker, Diplomaten und die Verwaltung den Kopf. Sie sprachen von gespenstischen Dingen. Es gäbe nie mehr Krieg, Landesgrenzen seien überflüssig. Unabhängigkeit und Neutralität seien zu vergessen. Globalisierung nicht Selbstbestimmung sei jetzt angesagt. Ein verzagter Bundesrat und ein anpasserisches Parlament wollte die Schweiz in den Europäischen Wirtschaftsraum und dann in die EU drängen. Es handelte sich dabei um einen Kolonialvertrag, denn eine fremde Macht, – die EU – damals noch EG genannt – sollte künftig bestimmen. EU-Recht sollte vortan Schweizer Recht brechen.
Es ging um nichts mehr und nichts weniger als um fremdes Recht und fremde Richter. Der Souverän – die Schweizer Bürger – wären entmachtet worden. Elite, Verwaltung, Bürokratie – als Hampelmänner der EU – hätten das „Sagen“ gehabt.
Nur dank der AUNS, meine Damen und Herren, konnten wir Gegner ohne Rücksichtnahme auf Parteien und Verbände frühzeitig in Stellung gehen, um den Kampf zu führen. Bewusst wollten wir überparteilich bleiben: Rechte, Linke, die Mitte, Parteilose – alle, die für die Unabhängigkeit und Neutralität waren und sind – alle waren und müssen auch heute noch in der überparteilichen Bewegung AUNS willkommen sein, wenn sie nur mit uns für Unabhängigkeit und Neutralität und damals konkret gegen den EWR kämpften: Darunter waren Unternehmer, Gewerbler, Angestellte, Gewerkschafter, Tierschützer, Naturschützer, Bankiers, Offiziere, Soldaten, Aktivdienstler, bekennende Christen, orthodoxe Juden usw. usw. Die AUNS-Mitglieder verbindet nur eines: Die Wahrung der Unabhängigkeit, Neutralität, direkte Demokratie, Föderalismus.
Ein Jahr vor der Abstimmung teilte mir Otto Fischer fluchend mit, dass gemäss Umfragen 80% der Schweizer für den EWR-Beitritt seien. Wir trafen uns in seinem Garten in Bern – niedergeschlagen und etwas verzweifelt. Wir wussten: Alles war Rang und Namen hat, ist gegen uns: Der Bundesrat, das Parlament, die Verwaltung, die Wirtschaftsverbände, die Gewerkschaften, die Medien, die Kulturschaffenden.
Wir stellten fest: Die Grundsäulen des Erfolgsmodells Schweiz – die Unabhängigkeit, die Neutralität, die direkte Demokratie, der Föderalismus, Weltoffenheit und der liberale Rechtsstaat drohen zusammenzubrechen. Der EWR-Beitritt ist zu verhindern.
Am 1. August 1991- im Jahr der 700-jährigen Eidgenossenschaft – hörte ich im Autoradio, wie Nationalratspräsident Ulrich Bremi auf dem Rütli – ausgerechnet dort – nicht den Sonderfall Schweiz lobte, sondern von dem Sonderling Schweiz sprach!
Ich erinnere mich: Ich musste auf einen Parkplatz fahren und mich beruhigen und erholen.
Und trotz dieser hoffnungslosen Lage beschlossen wir, den Beitritt der Schweiz zum EWR zu bekämpfen. Wir sagten uns: Wenn schon alle Medien gegen uns sind, müssen wir dies den Leuten halt persönlich sagen. Von jetzt an halten wir täglich mindestens einen öffentlichen Vortrag bzw. ein Streitgespräch.
Nachdem das Schweizer Volk im Frühling 1992 den Beitritt zur Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds überraschend beschlossen hatte, war die Euphorie im Bundeshaus unermesslich.
Die Meinungsmacher erklärten, man sehe jetzt: Das Schweizer Volk wolle Öffnung und internationale Einbindung. Und in diesem Übermut beschloss der Bundesrat am 18. Mai 1992 mit vier gegen drei Stimmen, in Brüssel ein Gesuch für den Beitritt der Schweiz zur EU einzureichen. Dieses Gesuch hat er nie zurückgezogen.
Die Einreichung dieses Gesuches war für den Bundesrat folgerichtig, denn er legte bis zu diesem Zeitpunkt stets klar, dem Kolonialvertrag EWR könne man nur zustimmen – wenn man der EU beitreten wolle.
Ich erinnere mich, wie ich an jenem frühlingshaften Abend mit Otto Fischer eine gute Flasche Wein öffnete. Jetzt war nicht nur den Insidern klar, sondern allen Schweizern, dass es um den EWR/EU-Beitritt ging. Ein Nein zum EWR wurde möglich.
Unser Abstimmungskampf bestand in erster Linie aus fast täglichen, öffentlichen Veranstaltungen und selbst gebastelten Inseraten.
Jeden Sonntagnachmittag telefonierte ich mit Otto Fischer etwa zwei Stunden. Er sagte mir, was an Geld eingegangen war. Dann „brünzelten“ wir Inserätchen für die kommende Woche. Täglich machten wir telefonische Lagebeurteilungen.
Otto Fischer hatte ein dichtes Netz von helfenden AUNS-Mitgliedern aufgebaut, die gratis Millionen von Flugblättern verteilten und auch selbst persönlich kleine Inserätchen entwarfen, diese selbst aufgaben und bezahlten. Es kam eine richtige Volksbewegung in Gang.
Ich selber hielt allein vom Sommer bis zum 6. Dezember 1992 fast 200 Referate gegen den EWR.
Am 6. Dezember stand das Resultat, an das wir in Erschöpfung und Verzweiflung nicht mehr glaubten, fest. Eine Mehrheit von 50,3 Prozent stimmten Nein – und mit Ausnahme beider Basel – lehnten alle Deutschschweizer Kantone den EWR-Beitritt ab. Dies bei einer sensationell hohen Stimmbeteiligung von fast 80 Prozent. Das Schweizer Volk hatte den Mut, zur Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und Neutralität zu stehen. Obwohl die Schweiz damals seit zwei Jahren in einer tiefen wirtschaftlichen Rezession steckte, und ihr von Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften bei einem Nein zum EWR den Untergang vorausgesagt wurde. Ich höre heute noch wie Herr Staatssekretär Blankart vor den Gewerberverband sprach: „Wenn das Schweizer Volk Nein zum EWR sage, würde die Schweiz nach 5 Jahren aus wirtschaftlichen Gründen die EU auf den Knien bitten, uns um jeden Preis als Mitglied aufzunehmen.
- Ohne die AUNS – meine Damen und Herren – wäre es nicht gelungen, diesen Jahrhunderterfolg zu erreichen.
- Ohne die AUNS, meine Damen und Herren, wäre die Schweiz heute nicht nur Mitglied des EWR, sondern auch Mitglied der Fehlkonstruktion EU!
- Dank der AUNS geht es den Schweizer Bürgern besser, denn durch die Preisgabe der Unabhängigkeit, der Neutralität, die direkte Demokratie und den Föderalismus ginge es der Schweiz, und vor allem den Bürgern, schlechter, aber den Politikern, der Verwaltung und den Bürokraten ginge es dafür besser. Das Schweizer Volk hat entschieden.
Gedenkjahr 2015
Meine Damen und Herren, das Jahr 2015 hat es in sich. Es jährt sich viel.
- 1315, also vor 700 Jahren, fand die Schlacht bei Morgarten
- 1415, also vor 600 Jahren, eroberten die Eidgenossen den Aargau.
- 1515, also vor 500 Jahren, verloren die Eidgenossen die Schlacht bei Marignano, was zum Ende der Grossmachtpolitik und zur schweizerischen Neutralität führte.
- 1815, also vor 200 Jahren, wurde am Wiener Kongress die immerwährende schweizerische Neutralität völkerrechtlich bestätigt.
- und ganz wichtig: 1985 – also vor 30 Jahren wurde die AUNS gegründet(!)
Obwohl der Bundesrat und Parlament 1998 in einer peinlichen Feier auf dem Bundesplatz pompös den Zusammenbruch der alten Eidgenossenschaft und den Bundesstaat von Amtes wegen feierten, meinte er 2014 auf eine Anfrage aus dem Parlament, Jubiläen seien nicht Staatsaufgabe und darum gäbe es keine Feiern. Doch der Grund dafür ist ein ganz anderer.
Die ehrliche Antwort hätte gelautet:
Wer in die EU strebt, will nicht an Freiheits- und Unabhängigkeitskriege erinnern.
Wer die Neutralität preisgeben will, kann nicht auf deren geschichtlichen Ursprung hinweisen.
Wem die Unabhängigkeit des Sonderfalls Schweiz ein Ärgernis ist, wird zuerst versuchen, die Geschichte umzuschreiben und umzubiegen, und nicht Gedenkfeiern veranstalten.
Bundesrat und Parlament wissen sehr wohl: Unser Land einigt ja nicht eine gemeinsame Herkunft, ein natürlich abgegrenzter geografischer Raum, eine Sprache oder eine Konfession.
Unsere Nation einigt einzig die gemeinsam durchgestandene Geschichte und die daraus entstandene Wertordnung! Darum ist es wichtig, dass wir an die Geschichte erinnern, um unsere Gegenwart zu verstehen und aus der Vergangenheit Kraft für die Zukunft zu schöpfen.
Das wissen unsere politischen Gegner: Nur ein heimatloses Volk akzeptiert fremdes Recht und fremde Richter. Also gilt es die heimatlichen Werte herabzumindern und zu zerstören, und darum muss die Schweizer-Geschichte herabgemindert, verfälscht und ausgeschaltet werden.
- 2005 – meine Damen und Herren – wurde an der Universität Zürich die Schweizer Geschichte als Hauptfach
- Im Lehrplan 21 ist Geschichte nicht einmal mehr als eigenständiges Fach vorgesehen – der Obertitel heisst jetzt wolkig „Räume, Zeiten, Gesellschaften“. Im Kanton Zürich heisst nun das Schulfach MuU, also „Mensch und Umwelt“.
- Doch wer will, dass sich die Schweiz in der EU auflöst wie ein Stück Zucker in der Teetasse, der will die schweizerische Befreiungstradition verbannen.[5]
- Meine Damen und Herren, der Streit um die Schweizer Geschichte ist kein historischer Streit, sondern ein politischer. Die Protagonisten geben sich aus als Wissenschaftler, dabei wollen sie die für sie zu eng gewordene Schweiz in die EU führen. Ein auf Unabhängigkeit, Neutralität, direkte Demokratie und Föderalismus beruhender Staat ist mit der EU-Konstruktion nicht vereinbar. Darum müssen diese Werte von diesen Leuten auch historisch ausgemerzt oder verfälscht werden.
Schlacht am Morgarten 1315
Meine Damen und Herren, an einer öffentlichen Veranstaltung beschwerte sich ein Bürger darüber, dass aus einer Sendung des Staatsfernsehens über die Schweizer Schlachten der Eindruck erweckt worden sei, die Schlacht am Morgarten habe gar nicht stattgefunden. Der auf dem Podium anwesende Historiker Thomas Maissen, der am Film mitgewirkt hatte, sagte, das habe er auch kritisiert. Aber das Fernsehen habe aus Geldmangel auf die Darlegung verzichten müssen! Also aus Geldmangel am Fernsehen hat die Schlacht am Morgarten nie stattgefunden(!)
Wo und wie ganz genau am 15. November 1315 die Schlacht am sumpfigen Ufer des Ägerisees stattfand, ist nicht entscheidend.
Fest steht aber, dass die Innerschweizer die Habsburger besiegt haben.
Gut möglich aber nicht erwiesen ist die ausschmückende Geschichte, dass die Edelleute von zugerischen Hünenberg die Innerschweizer mit einer Pfeilbotschaft gewarnt hätten: „Eidgenossen, hütet Euch am Morgarten.“
Dieser Satz bleibt aber jedenfalls Mahnung für alle Zeiten an die Eidgenossen: Seid, wenn schon klein und schwach, umso aufmerksamer, klüger und misstrauischer!
Der Chronist und Franziskanermönch Johannes von Winterthur berichtete 1340 -1344 über Morgarten so: „In dieser Zeit, im Jahre des Herrn 1315, entzog sich ein Bauernvolk, das in den Tälern, Swiz genannt, wohnte, und überall von beinahe himmelhohen Bergen umgeben war, im Vertrauen auf die sehr starken Bollwerke seiner Berge, dem Gehorsam, den Steuern und den gewohnten Dienstleistungen, die es dem Herzog Lüpoldus schuldete, und rüstete sich zum Widerstand gegen ihn.“
Meine Damen und Herren, all das können heutige Euro-Turbos fast nicht aushalten: ein rebellisches, nach Freiheit strebendes Bauernvolk, die Berge als Möglichkeit, Widerstand zu leisten, den Ungehorsam gegen die Eliten, den Widerwillen gegen zu viel Staat und zu hohe Steuern. Nein, was nicht sein darf, ist nicht.
Wie und wo genau am Morgarten welcher Stein welchen Ritter getroffen hat, ist nicht bedeutsam. Herzog Leopold musste jedenfalls eine blutige Niederlage hinnehmen, die Talschaften erneuerten kurz darauf ihren Bund in Brunnen, wobei erstmals und mehrfach von „Eidgenossen“ die Rede war. Die Waldstätte verpflichteten sich auf eine gemeinsame Aussenpolitik: Ohne Einverständnis aller durfte kein Ort einen Vertrag mit einer fremden Macht eingehen und sich ausdrücklich nicht beherrschen lassen. Die Bundesbriefe und Morgarten sind der Beginn des schweizerischen Sonderfalls.
(Das können die EU-Befürworter nicht haben. Sonderfälle darf es zwar geben, aber sicher keinen Sonderfall Schweiz).Das besondere aber war:
Überall sonst in Europa dehnte der Hochadel seine Macht aus, am Vierwaldstättersee aber entstand die Eidgenossenschaft mit weitreichenden Freiheitsrechten, demokratisch organisierten Landsgemeinden und einer umfassenden Selbstverwaltung.[6]
So ist unsere Schweiz entstanden – unerträglich für die Schweizabschaffer!
Wenn die EU-Beitrittsfreunde das Gegenteil behaupten, lassen wir sie reden. Mindestens führte das Gedenkjahr 2015 dazu, dass sie heute nach aussen treten müssen. Und je länger sie aus ihren akademischen Pfründen und Lehrstühlen reden, desto mehr „schärbelt“ es. Wissenschaft ist es jedenfalls nicht, was sie antreibt, sondern der Wille, unter dem Deckmantel der Wissenschaft die Schweizer Werte zu zerstören, um die Schweiz EU beitrittswillig zu machen.
Eroberung des Aargaus 1415
So feiern wir auch gerne, dass 1415, vor sechshundert Jahren, die Eidgenossen den Habsburgern ihre Stammlande im Aargau entrissen haben.
Es ist schön, dass zumindest die Aargauer 2015 diese Ereignisse mit Veranstaltungen und Ausstellungen würdigen und sogar selbstbewusst verkünden: „Die Schweiz entstand im Aargau.“ Das ist nicht falsch. Man traf sich fortan regelmässig zu Tagsatzungen in Baden, dem früheren Verwaltungszentrum der Habsburger, was den jungen Bund der Eidgenossen deutlich stärkte.[7]
Zumindest die Aargauer Mitbürger selbst sind stolz, heute Schweizer und nicht Habsburger zu sein. Die Aargauer Mitbürger gehören seither zu den treuesten und festesten Eidgenossen.
Schlacht bei Marignano 1515
Es ist eigenartig. Verbissen bekämpfen unsere Gegner die Bedeutung der verlorenen Schlacht bei Marignano vor 500 Jahren. Diese Schlacht ist unbestritten ein Wendepunkt in der Schweizergeschichte: Von da an setzte sich die Erkenntnis durch, dass unser Land nur als Kleinstaat ohne aussenpolitische Eroberungs-Ambitionen,. funktionieren kann. Es ist der Ausgangspunkt der heutigen schweizerischen Neutralität. Aber diese steht den EU-Turbos entgegen. Wer in die EU will, muss von der Neutralität absehen. Also darf es keine Neutralitätsgeschichte geben. Aber wir halten – wie die überwiegende Mehrheit der Schweizer – daran fest, ob dies den Schweizabschaffern gefällt oder nicht!
Nachdem die Schweizer seit 1315 dank ihrer erfolgreichen Schlachten 200 Jahre als gefürchtete militärische Mache eine Rolle gespielt hatten, verloren sie erstmals am 14. September 1515 kläglich in der Schlacht von Marignano. Dies trotz der beeindruckenden Siege wenige Jahrzehnte vorher gegen Karl den Kühnen in den Burgunderkriegen und den Siegen über den Habsburger König Maximilian im Schwabenkrieg.
- Diese Niederlage von Marignano ist zu Recht tief im Gedächtnis der Schweizer haften geblieben. Wir feiern also eine Niederlage.
- Diese Niederlage erwies sich aber für die Schweiz als Segen. Darum lautet die Inschrift am Denkmal beim Schlachtfeld von Marignano: „EX CLADE SALUS“(durch die Niederlage das Heil). Es ist ja im Leben oft so: Manchmal braucht es Niederlagen, um zu besserer Einsicht und auf einen guten Weg zu kommen.
- Nach und nach reifte durch diese Niederlage die Einsicht, die Schweiz als Kleinstaat habe in internationalen Konflikten abseits zu stehen. „Stillesitzen“ hiess die Devise. Diese öffnete den Weg zur dauernden Neutralität. „Stillesitzen. Maul halten!“ Ob, wie segenreich wäre dies für unsere wichtigtuerischen Aussenpolitiker , Regierungsleute und vor allem das Aussendepartement. In internationalen Konflikten wartet auf ihre Zurechtweisung ohnehin niemand! Viel gescheiter wäre es, wenn diese Leute einmal das schlichte Ossario – das Beinhaus für die gefallenen Schweizer in Marignano – am Rande des Schlachtfeldes in Mezzano besuchen würden. Dieses Ossario ist jetzt frisch renoviert worden.
- Schon bei der 450 Jahrfeier 1965 war ich dabei, als die Restauration ebenfalls durch weitblickende Schweizer Industrielle ebenfalls möglich wurde. Und ich habe meine Kinder ersucht, dies in 50 Jahren wieder zu tun, wenn es so notwendig sein müsste.
Entscheidend sind die Folgen der Erfahrungen von Marignano: Die Devise, sich nicht in fremde Händel zu mischen und aussenpolitisch Zurückhaltung zu üben, setzte sich durch.
Sie begreifen meine Damen und Herren, dass heute der Bundesrat, das Parlament, alle die linken Politiker und EU-Beitritts-Befürworter lieber nicht über Marignagno und ihre Bedeutung sprechen wollen.
Völkerrechtliche Anerkennung der Neutralität 1815
So verhält es sich auch mit der völkerrechtlichen Anerkennung der schweizerischen Neutralität. Es wäre doch ein wichtiges Jubiläum – sollte man meinen: 200 Jahre völkerrechtliche Neutralität, was mithalf eine 200-jährige Friedenszeit für die Schweiz einzuleiten. Aber auch dies wird offiziell übergangen. Bundesrat und Parlament wollen lieber den schleichenden EU-Beitritt und den Untergang der Schweiz planen, statt an die segensreiche Institution wie Neutralität und Unabhängigkeit erinnern.
Nach Napoleons Niederlage bei Waterloo, im Zweiten Pariser Frieden vom 20. November 1815 garantierten die europäischen Grossmächte die immerwährende, bewaffnete, selbstgewählte und integrale (also vollständige) Neutralität der Schweiz und die Unverletzlichkeit ihres Gebiets. Diese erste völkerrechtliche Anerkennung hatte in den wesentlichen Punkten der Genfer Diplomat Charles Pictet de Rochemont formuliert. Dieser grosse Schweizer hat streng darauf geachtet, dass die Grossmächte aus der Neutralitätsgarantie kein Interventionsrecht ableiten konnten. Damals wurden auch die noch heutige gültigen Landes- und Kantonsgrenzen festgelegt – selbstverständlich mit Ausnahme des noch bernischen Juras.
Was ist zu tun?
Doch, meine Damen und Herren, die Aktion unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) ist kein schöngeistiger und auch kein historischer Verein, dessen Tun sich im Feiern von Jubiläen erschöpft.
Nein, meine Damen und Herren, die AUNS wurde als politische Kampforganisation gegründet, um die schweizerischen Staatssäulen Unabhängigkeit, Neutralität, die Volksrechte und den Föderalismus zu verteidigen. Dies weil man in dieser Hinsicht Bundesrat und Parlament nicht trauen kann.
So wollen wir uns auch heute an Gertrud Stauffacher aus Schillers Wilhelm Tell, halten, die ihren Mann Werner Stauffacher auffordert:
„Schau vorwärts, Werner, und nicht hinter Dich.“ (Auch auf das Risiko hin, dass irgendeiner unserer sogenannte Historiker der Universität Zürich nachweislich und läppisch versichert, dass es weder Gertrud noch Werner Stauffacher gegeben habe!)
Ja, schauen wir vorwärts. „Wer Augen hat der sehe, wer Ohren hat, der höre“ meine Damen und Herren, und halten wir fest:
Der Schweiz geht es besser als den meisten Ländern, weil sie bisher auf Unabhängigkeit, Neutralität, direkte Demokratie, Föderalismus und eine freiheitliche Ordnung gesetzt hat.
Obwohl schon der alte Bundesbrief auf Unabhängigkeit und Freiheit setzen – dichterisch ausgedrückt: „Wir wollen keine fremden Richter haben und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen“ und obwohl alle Staatssäulen in der Verfassung verankert sind, werden diese schweizerischen Werte heute von den verantwortlichen Politiker missachtet und hinterhältig hintertrieben. Man versucht sie ausser Kraft zu setzen, man gibt die schweizerischen Werte auf, nur weil man in die grosse EU strebt.
Der Drang in die EU ist in Bundesbern riesig. 90% der Verwaltung, die Mehrheit von Bundesrat und Parlament drängen hinein, doch keiner getraut sich es noch zu sagen, weil 80% der Schweizer dies nicht wollen.
Also meine Damen und Herren: „Hütet Euch am Morgarten“. Im Wahljahr wird verschleiert – und das Gros der Medien machen hier mit – dass man weiterhin die Volksentscheide über die Ausweisung von Ausländern und die Beendigung der Personenfreizügigkeit nicht umsetzen will. Die Demokratie wird ausgehöhlt.
- Man versucht in geschlossenen Sitzungszimmern die Volksinitiative zu erschweren, und auszuhöhlen. Die Classe politique versucht alles, um die Stimmbürger zu entmachten und die Macht an sich zu reissen. Sie sehnt sich nach dem bürokratischen Verwaltungsstaat, wo sie ohne Belästigung durch die Bürger regieren kann.
- Frau Bundespräsidentin Sommaruga reist nach Brüssel, um der EU mitzuteilen, dass sie den Masseneinwanderungsartikel der Bundesverfassung nicht umsetzen werde, wenn das die EU so wolle. Eine Kontingentierung und der Inländervorrang gelte nur für die Arbeitskräfte ausserhalb der EU. (Also kurz: Es gelte auch in Zukunft die heutige Regelung) Dieser, erneute Bückling vor der EU sind Schalmeien für diese, versteht sich. Der Lohn ist ein demonstratives Küsschen des EU-Kommissionspräsidenten für die Bundespräsidentin. Ich hoffe, dass die Bundespräsidentin seither ihr Gesicht gut gewaschen hat.
- Aber die ganz grosse Aufgabe die uns – nach den Wahlen – bevorsteht, kommt für 2016, meine Damen und Herren!
Bundesrat und Parlament wollen die Schweiz mit einem Rahmenvertrag, mit institutionellen Bindungen in die EU führen.
Die Schweiz soll sich verpflichten, fremdes Recht und fremde Richter zu akzeptieren.
Es kommt nichts anderes als der EWR 2, der die Schweiz in die EU führt.
Dieser Vertrag muss zwingend verworfen werden. Er ist der heimliche EU-Beitritt.
Und wie der EWR in die EU geführt hätte, würde die Schweiz mit diesem Vertrag in der EU landen.
Darum meine Damen und Herren, die grosse Aufgabe, und hier vor allem jene der AUNS, ist sich auf diese Abstimmung vorzubereiten. Diese Abstimmung müssen wir gewinnen. Und sie ist zu gewinnen.
Es sind zahlreiche Organisationen – auch ausserhalb der AUNS, die gegen diese heimlichen EU-Beitritt sind. Es gilt für den Abstimmungskampf diese Kräfte zu bündeln.
Deshalb – meine Damen und Herren – habe ich mein Nationalratsmandat niedergelegt, um mich voll und ganz dieser Aufgabe zu widmen. Ich habe darum das Präsidium des „Komitees gegen den schleichenden EU-Beitritt / EU-NO“ übernommen.
Dieses koordiniert im Abstimmungskampf alle gegnerischen Kräfte. Das wichtigste Glied ist die AUNS. Sie wurde schliesslich zu diesem Zweck gegründet. Die AUNS ist darum im Vorstand von EU-NO vertreten. Dieses Komitee wurde nur zum Kampf gegen dieses Rahmenabkommen gegründet. Es löst sich nach dieser – hoffentlich erfolgreichen – Abstimmung dann wieder auf.
Bis heute gehören dem Komitee bereits 110 Organisationen und ca. 4’000 Einzelmitglieder an. Werden auch Sie persönlich Mitglied. Der Jahresbeitrag beträgt CHF 10.-.
Meine Damen und Herren, angesichts „der Arglist der Zeit“ – wie es schon im alten Bundesbrief heißt, gilt es sich diesem zentralen Anliegen zu widmen. „Hütet Euch am Morgarten!“
Um die Kräfte nicht zu zersplittern, hat sich die AUNS – als die wichtigste Organisation – zur Erhaltung der Unabhängigkeit und der Neutralität voll und ganz diesem Anliegen zu widmen. Im Augenblick ist stilles Schaffen angesagt. Die Stärke ist die Konzentration auf diese eine Aufgabe. Verteidigung der Unabhängigkeit und Neutralität gegen eine Classe politique, die nicht mehr zur Schweiz steht, ist für die Eidgenossenschaft das Vordringliche und Wichtigste.
Die AUNS führt den Kampf zwar seit 30 Jahren. Aber merken wir uns:
Wir stehen nie am Ende unserer Aufgabe, sondern stets am Anfang.
[1] Somm, Markus: Christoph Blocher, der konservative Revolutionär, Herisau 2009, S. 254. [2] Somm (2009), S. 254. [3] Den Turbo gezündet. In: „Neue Zürcher Zeitung“, 23.12.2014. [4] Botschaft zur Genehmigung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, 18.5.1992, S. 59. [5] Er ist das akademische Störsignal. In: „Tages-Anzeiger“, 28.3.2015. [6] Keller, Peter: „Wie die Steinböcke“. In: „Die Weltwoche“, 5.1.2012. [7] Die Eidgenossen kommen. https://www.ag.ch/de/bks/kultur/kulturvermittlung/erinnerungskultur/eroberung_aargaus/1415.jsp
Es gilt das schriftliche und das mündliche Wort. Der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen.