Folgende vier Beispiele zeigen, wie die EU-Kommission und Schweizer EU-Turbos durch Sprachmanipulation versuchen, die aus ihrer Sicht «naiven» Schweizer Bürgerinnen und Bürger in die Irre zu führen.

Dr. Pedro Reiser

  1. «Die Schweiz nimmt am EU-Binnenmarkt teil»

Sowohl die EU-Kommission wie auch Schweizer EU-Turbos behaupten, die Schweiz nehme am EU-Binnenmarkt teil und müsse deshalb auch EU-Recht übernehmen. Daraus wird abgeleitet, der EuGH müsse für die Streitschlichtung zuständig sein. Basierend auf dieser Argumentation versuchte man der Schweiz das Institutionelle Rahmenabkommen aufzudrängen, das glücklicherweise in letzter Minute vom Bundesrat abgelehnt wurde.

Tatsache: Der Warenhandel der Schweiz mit der EU basiert auf dem Freihandelsvertrag von 1972, der dem WTO-Recht und dem WTO-Streitschlichtungsverfahren unterstellt ist. Die Schweiz ist nicht am EU-Binnenmarkt beteiligt. Sie exportiert in die EU, sowie die EU in die Schweiz exportiert, ohne dabei das Recht der Gegenseite übernehmen zu müssen. Die Schweiz hat einen eigenen Binnenmarkt und die EU den ihrigen. Das Verhältnis basiert auf dem gegenseitigen Marktzugang.

  1. «Das Institutionelle Rahmenabkommen sichert den bilateralen Weg»

Die EU-Kommission und Schweizer EU-Turbos behaupten, nur das Institutionelle Rahmenabkommen ermögliche die Weiterführung des bilateralen Wegs Schweiz-EU.

Tatsache: Das Institutionelle Rahmenabkommen bedeutet das Ende des bilateralen Wegs! Nach Annahme dieses Abkommens hätte die EU alle darin enthaltenen Bestimmungen unilateral ändern können. Falls die Schweizer Stimmbürger eine solche Änderung abgelehnt hätten, wäre die Schweiz mit Ausgleichsmassnahmen bestraft worden. Das wäre das Ende des bilateralen Wegs auf Augenhöhe zwischen der Schweiz und der EU gewesen.

  1. «Erosion der bilateralen Verträge»

Dazu Zitate aus dem ausgezeichneten NZZ-Artikel von Gerhard Schwarz vom 07.09.2021 unter dem Titel: «Anhänger des Rahmenabkommens warnen vor einer Erosion der bilateralen Verträge. Doch eigentlich geht es um Machtgebaren»

Schwarz identifiziert falsche Begrifflichkeiten, welche im Nachzug zum gescheiterten Rahmenabkommen kursieren. Der Begriff Erosion zum Beispiel gaukelt eine natürliche Verschlechterung des bilateralen Verhältnisses vor, dabei geht es um etwas ganz anderes. Schweizer EU-Turbos bezeichnen aber fast jede für die Schweiz schlechte Entwicklung im Verhältnis zur EU als Erosion und wollen damit suggerieren, dass dies eine natürliche Folge des Abbruchs sind. «Die Verantwortung für die Verschlechterung läge damit allein bei der Schweiz, wie wenn ein Bauherr sein Haus an einen Lawinenhang oder in ein Überschwemmungsgebiet baut. Man spürt die Absicht und ist verstimmt, denn diese Sicht ist falsch.»

Aber auch der Entscheid der EU, keine neuen Verträge abschliessen zu wollen, kann man nicht als Erosion bezeichnen « Nur die Verbreiterung des regulatorischen Grabens dort, wo der Binnenmarkt vertieft wird und die Schweiz dies nicht nachvollzieht, ist eine Erosion. Der Rest ist eine Mischung aus Schmollen und Machtgebaren.»

Ebenfalls ist Schwarz der Meinung, dass man aufpassen muss, wenn ein Wort plötzlich öfter auftaucht. «Man weiss nie, ob das Wort fast zufällig von vielen aufgegriffen wird, es sich also um eine Modeerscheinung handelt, oder ob es nur scheinbar unschuldig verwendet und mit ihm subtil Politik gemacht wird. Doch absichtlich oder gedankenlos – falsche und unpräzise Wörter können einiges anrichten.»

  1. «Kohäsionsmilliarde»

Was die EU anfänglich als einmalige Kohäsionsmilliarde zur Hilfe von osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten von der Schweiz verlangte, wurde plötzlich umgetauft. Jetzt spricht die EU-Kommission von Weiterführung der Kohäsionszahlungen, die aber fortan «Marktzutrittsbeiträge» genannt werden sollen. Das gibt es sonst nirgends auf der Welt, dass ein Land einem anderen einen «Marktzutrittsbeitrag» bezahlt. Dafür, dass die Schweiz Waren in die EU exportieren «darf», soll sie von jetzt an regelmässige Marktzutrittsbeiträge zahlen müssen. Das ist umso unsinniger, als die EU jährlich ca. CHF 20 Milliarden mehr in die Schweiz exportiert, als die Schweiz in die EU. Eigentlich müsste daher die EU der Schweiz einen höheren «Marktzutrittsbeitrag» zahlen als umgekehrt.

Fazit

Diese vier Beispiele zeigen, wie die EU-Kommission und Schweizer EU-Turbos durch Sprachmanipulation versuchen, die aus ihrer Sicht «naiven» Schweizer Bürgerinnen und Bürger in die Irre zu führen.

Gerhard Schwarz zitiert zu Recht Konfuzius: «Wenn die Worte nicht stimmen, ist das Gesagte nicht das Gemeinte. Wenn, was gesagt wird, nicht stimmt, stimmen die Werke nicht. Gedeihen die Werke nicht, verderben Sitten und Künste. Darum achte man darauf, dass die Worte stimmen.»

 

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