Ansprache von Christoph Blocher, alt Nationalrat und alt Bundesrat, zum 1. August 2014.

31.07.2014, 20.15 Uhr, Krauchthal BE
01.08.2014, 10.30 Uhr, Ricken SG
01.08.2014, 17.00 Uhr, Erlen TG
01.08.2014, 20.45 Uhr, Nürensdorf ZH

 

Liebe Miteidgenossinnen
Liebe Miteidgenossen
Liebe Geburtstagsgäste


1. Was feiern wir heute?

Wir sind heute hier zusammengekommen, um den 723. Geburtstag unseres Landes zu feiern! Sie haben mich zur Festrede geladen. Wir feiern den Nationalfeiertag in gut freundeidgenössischer Art, d.h. wie wir hier noch gleichzeitig in unzähligen anderen Orten und Örtlein der Schweiz. Was heisst in gut freundeidgenössischer Weise?

  • Bescheiden.
  • In kleiner Gemeinschaft, stellvertretend für das ganze Land.
  • Gleichzeitig mit zahlreichen andern Orten in der Schweiz, verbunden durch Höhenfeuer übers ganze Land hinweg.
  • In Besinnung und Dankbarkeit.

 

2. Die Gründungsurkunde

Der Tag der Geburt der Schweiz ist der Bundesbrief von 1291.

Dieser ist Bekenntnis und Ausdruck des Willens zur schweizerischen Unabhängigkeit und zur Selbstbehauptung.

  • Er beginnt mit der Anrufung Gottes: Man stellt sich damit unter Gottes Schutz
  • Man beschliesst, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen: „Wir wollen keine fremden Richter haben.“ Wobei mit Richter damals die Regierenden allgemein gemeint waren.
  • An diese Richter – also an alle Behördenmitglieder – stellt man hohe charakterliche Voraussetzungen.
  • Man verspricht, sich gegenseitig Hilfe zu leisten.
  • Man weiss, dass das Vorhaben schwierig ist, und schwört, für die Freiheit notfalls das Leben zu opfern.

Am Anfang unseres Landes steht also ein Stück Pergament. Ein Schriftstück! Nur 20 cm breit und 32 cm hoch. 17 Zeilen umfasst es!

 

3. Eine Willenserklärung zum Anfang

Am Anfang der Schweiz

  • steht also nicht ein Herrscherwillen, kein Beschluss eines Königs oder Kaisers,
  • steht kein „hochkarätiges Expertengremium“,
  • stehen keine ausgeklügelten juristischen Verfassungsgrundsätze.

Am Anfang steht nur eine

  • Willenserklärung von einfachen Landsleuten, die bereit sind und sich verpflichten, das Schicksal selber in die Hand zu nehmen und sich den Pflichten zur Erhaltung dieser Selbständigkeit im
    Interesse von „Land und Lüüt“ zu unterziehen!
  • Die Macht soll in die Hände dieser Landsleute gelegt werden. Kurz ausgedrückt: In die Hand des Volkes.

Dieser Grundgedanke hielt sich im Wesentlichen 723 Jahre, obwohl seither viel geschehen ist.

Nicht etwa, dass in dieser langen Zeit nie jemand von diesem Wege abgekommen wäre. Nein, oft haben die Tonangebenden in diesem Land versagt! Sie haben mit Grossmächten in ganz Europa „geliebäugelt“.

Eines aber zeigte sich klar: Immer wenn die Schweiz von ihrem vorgezeichneten Weg abkam, immer wenn die Schweiz sich mit Grossmächten einliess, immer wenn die Schweiz sich nicht auf sich selber besann, drohte der Niedergang der Eidgenossenschaft. So ist es bis auf den heutigen Tag!

Doch in den entscheidenden Auseinandersetzungen fand die Schweiz immer wieder auf den eigenen Weg zurück.

 

4. „Mir händs doch guet!“

Meine Damen und Herren, wir stehen und sitzen heute friedlich beieinander auf dem Dorfplatz. Das Land ist – wenn wir hinaus in die Welt blicken – wie man sagt: „in guter Verfassung“.

Wir lieben dieses schöne Land.

Obwohl dieses Land klein und von Natur aus arm ist, so sagen wir uns immer wieder: „Mir händs doch guet!“

Kürzlich schrieb mir eine Witwe mit fünf noch schulpflichtigen Kindern und fügte bittend bei:  „Sorged sie doch, das es e so bliibt.“

Schon zu Kinderzeiten sangen wir:

„S‘Schwyzerländli isch nur chli,
aber schöner chönt‘s nid sii.
Gang i d’Wält, so wiit du witt,
schönri Ländli git‘s gar nid.“

Warum ist die kleine Schweiz eigentlich nicht untergegangen in den letzten 723 Jahren? Das wäre doch die logische Folge bei dieser Kleinheit, dieser ursprünglichen Armut und all der Unbill um die Schweiz herum.

Es muss da etwas Besonderes sein!

Was ist denn das Besondere? Wer Ohren hat, der höre. Und wer Augen hat, der sehe – Und der wird feststellen:

Der Erfolg der Schweiz, die bessere Situation als in anderen Ländern, ist eindeutig auf eine Besonderheit zurückführen. Es ist der Sonderfall Schweiz.

Aber was ist denn da so besonders – im Vergleich zu anderen Staaten?

Die Schweiz achtete seit 723 Jahren eifersüchtig auf ihre Eigenständigkeit und Freiheit.

D.h.sie akzeptierte keine fremden Richter, keine fremde Obrigkeit! Kam sie vom Weg ab, versank das Land in Hunger, Elend, Arbeitslosigkeit. Bis es sich wieder dazu aufraffte, das Heft selber in die Hand zu nehmen!

So vor 200 Jahren, als die Schweiz sich für eine Zeit in fremde Herrschaft begab, sich nicht selber war, als sie zum Spielball der europäischen Grossmächte wurde, bis sie sich schliesslich 1848 dazu aufraffte, von allen Mächten unabhängig zu sein und unabhängig zu bleiben, weltoffen zwar, aber ohne sich einbinden zu lassen.

Dazu „dauernd bewaffnet neutral „, um nicht in Kriege gezogen zu werden.

Demokratisch, damit der Bürger und nicht die Politiker im Mittelpunkt stehen.

Mit ausgebauten Volks- und Freiheitsrechten. Und schliesslich – etwas später – mit Referendums- und Initiativrecht ausgestattet.

Meine Damen und Herren, dieser Sonderfall ist nicht ohne Drohungen seitens anderer Staaten vonstatten gegangen.

Nein, meine Damen und Herren, der Druck auf die Schweiz war schon damals stark.

Druck auf die Schweiz ist der Normalfall in der Schweizer Geschichte. Der Druck ist auch heute unverkennbar da – komme er von USA, Europa, von internationalen Organisationen usw.

Dieser Druck braucht nicht zu beunruhigen, wenn die Kraft zum Widerstand vorhanden ist.

Ist diese Kraft zum Widerstand heute noch da?

 

5. Bedrohungen in der heutigen Zeit

Meine Damen und Herren,

  • Jede Zeit kennt ihre besonderen Gefahren. Jede Zeit hat ihre – oft selbsternannten – Vögte, welche die Macht an sich reissen möchten. Es neigen Obrigkeiten dazu, zum Nachteil von Volk und Land ihre eigene Macht auszudehnen. Es winken Ansehen, Ruhm, Ämter, Geld und vielerlei mehr!
  • Oft nennen sich die modernen Vögte „Visionäre“. Aber sie rauben dem Mensch nur allzu oft seine Selbstbestimmung, seine Freiheit.
  • Es ist unverkennbar, dass heute Regierende in der ganzen Welt nach Grösse streben.
  • Sie möchten überall, wo Glanz der Macht aufscheinen, dabei sein. Und unsere Regierenden machen da keine Ausnahme – leider!
  • Auch an all den imposanten Konferenzen, Symposien, internationalen Vereinbarungen, die nur allzu oft die Rechte des Volkes schmälern oder gar ausser Kraft setzen.

Es sei – so heisst es dann beschönigend – eben „übergeordnetes Recht“. Als wäre es direkt von Gott erlassen! Auf jeden Fall tut man so, als sei es „dem vom Volk gesetzten Recht übergeordnet“.

Mögen Politiker und Professoren noch so gepflegt, gebildet, sanft und wohlwollend ihr „übergeordnetes Recht“ verkünden, es ist ziemlich genau das Gegenteil von dem, was in der Geburtsstunde der Eidgenossenschaft geschworen wurde. Das Volk hat sein eigenes Recht. Es hat keinen fremden Gesetzgebern zu gehorchen.

Man nennt dieses fremde Recht internationales Recht. Am liebsten redet man von „Völkerrecht“, als hätten es alle Völker demokratisch eingesetzt. Schon der Name ist ein Schwindel.

Wer aber hat dieses wohltönende „Völker“-Recht gesetzt?

Seine Schöpfer haben viele Namen. Je nachdem spricht man von internationalen Experten, hochkarätigen Juristen, angesehenen Professoren, von Kongressen, internationalen Foren, internationalen Organisationen – ja es gibt deren viele, viele viele… Man weiss es in der Regel nicht so genau. Nur eines weiss man: Vom Volk selber ist dieses Völkerrecht sicher nicht gesetzt worden!

Sicher gelten alle Schöpfer als ehrenwerte Leute!

Aber eben, es sind nicht die „Landsleute“. Es sind nicht die, die 1291 auf dem Rütli dazu auserwählt wurden. Und es sind auch sicher nicht die Gesetzgeber, die in unserer heute noch gültigen Bundesverfassung festgesetzt wurden!

Die heutige Tendenz, die Volksrechte leichtfertig durch übergeordnetes Recht – eben internationales oder so genanntes „Völkerrecht“ – zu ersetzen, ist Unfug und gegen „Volk und Lüüt“ gerichtet. Es schränkt unsere Freiheit ein und ist höchst unschweizerisch! Es beseitigt eine wichtige Säule, der wir die Stärke der Schweiz verdanken.

Und bei allem Schönreden – es ist halt doch diktatorisch, was da geschieht und genau das Gegenteil des Freiheitsbriefes von 1291.

Meine lieben Mitlandsleute,

das Nagen an unseren Staatsäulen, die die Schweiz stark gemacht haben, ist leider schon weit gediehen:

  • So haben Volk und Kantone – also die Gesetzgeber der Schweiz – beschlossen, dass kriminelle Ausländer des Landes zu verweisen sind. Doch obwohl das schon vor bald 5 Jahren geschah, versuchen Bundesrat und Parlament, das Gegenteil zu tun. Der Volkswille passt ihnen nicht, also beruft man sich auf „Völkerrecht“ und verwirklicht schliesslich das, was Volk und Stände ausdrücklich abgelehnt haben!
  • Eine erneute Volksinitiative, die den Volkswillen durchsetzen will, versuchen die Parlamentarier sogar als ungültig zu erklären. Der oberste Gesetzgeber, Volk und Kantone, sollen kaltschnäuzig – natürlich unter schönen und süssen Tönen – entmachtet werden
  • Das Bundesgericht, das an die schweizerischen Gesetze gebunden wäre, setzt sich neuerdings sogar über die Verfassung hinweg – missachtet das von den Bürgern und den Kantonen gesetzte Recht, indem es sich edel auf das Völkerrecht beruft. Nicht nur das zwingende Völkerrecht ist Schranke des Gesetzgebers. Nein. Neuerdings generell Völkerrecht – sprich internationales, ausländisches Recht soll dem schweizerischen Souverän übergeordnet sein!

Weitere Beispiele:

Bundesrat und Parlament sind bereit, die Forderung der EU zu erfüllen und einen Vertrag abzuschliessen, gemäss dem die Schweiz verpflichtet wird, in Zukunft fremdes Recht – d.h. EU-Recht – zu übernehmen und fremde Richter – den EU-Gerichtshof – zu akzeptieren.

Das, meine Damen und Herren, ist die Lahmlegung und Umgehung der Stimmbürger und ist der schleichende Weg in die EU! Das bedeutet das Ende der schweizerischen Freiheit, das Ende des Sonderfalls und das Ende des bewährten Weges.

Kurz: Das bedeutet das Ende der 723-jährigen Eidgenossenschaft.

 

6. Das gilt es zu verhindern

Meine Damen und Herren, noch ist nicht „aller Tage Abend“. Die Schweizerinnen und Schweizer – Sie, meine Damen und Herren – haben es in der Hand, dem ungeheuerlichen Treiben ein Ende zu setzen. Helfen Sie mit. Der Rahmenvertrag, der die Schweiz in die EU institutionell einbinden will, muss an der Urne auf jeden Fall abgelehnt werden. Sie, meine Damen und Herren und meine verehrten Mitlandsleute, sind aufgerufen, den Geist der Freiheit zu wahren.

Und in der Schweiz heisst Freiheit vor allem auch Vertrauen in den einzelnen Bürger.

Es darf nicht sein, dass so genanntes „höheres“ Recht oder „internationales Recht“ oder „Völkerrecht“ das demokratisch bestimmte Recht der eigenen Staatsbürger leichtfertig einschränkt oder gar ausser Kraft setzt. Auch dies muss durch einen klaren Verfassungssatz verhindert werden: „Eigenes Landesrecht geht fremdem Recht vor.“ Ob man dieses fremde Recht nun internationales Recht oder Völkerrecht nennt, ist nebensächlich. Es ist nicht Landesrecht und nicht vom schweizerischen Souverän gesetzt.

Denken wir daran: Der Bundesbrief ist die Absage an eine staatliche Machtanmassung von aussen und eine geradezu rebellische Absage an die Einschränkung des Volkswillens. Unsere Bundesverfassung – auch die heute geltende – bestätigt diese Haltung. Darum ist der Kampf gegen fremde „Vögte“ – auch die aus dem eigenen Land – eine Daueraufgabe. Es ist der dauernde Kampf um die Freiheit.

 

7. Tag von Dankbarkeit und Freiheitswillen

Meine Damen und Herren, in Dankbarkeit begehen wir heute den Geburtstag unseres Landes. Rufen wir uns in Erinnerung: Die heutige Wohlfahrt des Landes und seine wirtschaftliche Stärke sind nicht zuletzt der Freiheit, der Selbstbestimmung und der Selbstverantwortung der Bürger zu verdanken.

In Dankbarkeit wollen wir dies feiern, aber auch in der festen Entschlossenheit, dass dies so bleibe!

Mit dieser Botschaft, meine Damen und Herren, wollen wir auch die nächsten 365 Tage, das 724. Lebensjahr unseres Landes, in Angriff nehmen.

 

„Hebed dem Land Sorg!“ hat Gültigkeit!

 

Es gilt sowohl das mündliche wie das schriftliche Wort, der Redner behält sich vor, auch stark vom Manuskript abzuweichen!

 

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