Der Vorschlag, die Schweiz dem EU-Gerichtshof zu unterwerfen, sei vom Bundesrat ausgegangen, nicht von der EU-Kommission.

EU-NO Newsletter vom 04.12.2014

Carl Baudenbacher ist einerseits Kenner aller Rechtsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Als Präsident des Efta-Gerichtshofs und Direktor des Kompetenzzentrums für europäisches und internationales Recht an der Universität St. Gallen verfolgt er andererseits die laufenden Verhandlungen um den sog. Rahmenvertrag zwischen der Schweiz und der EU genau.

Am 23. November 2014 berichtete die Zeitung «Schweiz am Sonntag» über einen Vortrag Baudenbachers vor der Handelskammer Deutschland-Schweiz. Darin kritisierte Baudenbacher die laufende Verhandlungsführung und den dafür verantwortlichen Bundesrat Didier Burkhalter scharf. Vor allem nahm er Anstoss an der vom Bundesrat an die EU ausgegangene Offerte, die Schweiz künftig dem EU-Gerichtshof zu unterstellen. Dazu Baudenbacher wörtlich:

«Kein Professor des Europarechts wäre auf die Idee verfallen, auf den Europäischen Gerichtshof EuGH als Entscheidungsinstanz zu drängen. Das ist das Gericht der Gegenpartei, in dem die Schweiz keinen Richter stellen kann».

Zu Ursprung der Idee, die Schweiz dem EU-Gerichtshof zu unterstellen, führte Baudenbacher aus:

«Die EU hat der Schweiz das nicht vorgeschlagen. Die Idee mit dem EuGH-Modell kam von der Schweiz. Die EU ist dann auf das EuGH-Modell eingestiegen: Bitte schön, wenn die Schweizer das wollen, so soll es uns recht sein».

Baudenbacher kritisiert insbesondere das Vorgehen von Aussenminister Didier Burkhalter scharf. Dieser verfolge «Kabinettspolitik». Was darunter zu verstehen sei, erklärte Baudenbacher wie folgt:

«Damit meine ich eine Europapolitik, die versucht, sich dem kontrollierenden Einfluss von Volksvertretern und Kantonen zu entziehen».

Im Rahmen solcher Kabinettspolitik, sagte Baudenbacher weiter, habe der Bundesrat selbst den Parlamentariern «zahlreiche Unwahrheiten» aufgetischt. Die Versuche Burkhalters, Entscheide des EU-Gerichtshofs als blosse «Empfehlungen» darzustellen, über deren Übernahme die Schweiz danach entscheiden könne, wies Baudenbacher kategorisch zurück:

«Der EuGH erlässt nur verbindliche Entscheidungen. Die Freiheit des Bundesrates, Nein zu sagen, bestände nur auf dem Papier.»

Und weiter:

«Bei der EuGH-Lösung könnte die Kommission die Schweiz jederzeit einseitig vor ihren eigenen Gerichtshof, den EuGH ziehen. Damit wäre die Behörde der Gegenpartei faktisch das Überwachungsorgan der Schweiz.»

Baudenbachers Kritik erfolgt allerdings nicht einfach aus Besorgnis über den Gang der Verhandlungen zwischen der Schweiz und Brüssel. Baudenbacher möchte, dass der Efta-Gerichtshof, dem er selber vorsteht, anstelle des EuGH über Meinungsverschiedenheiten zur Auslegung bilateraler Verträge als höchste Gerichtsinstanz eingesetzt würde.

So berechtigt Baudenbachers Kritik an der Verhandlungsstrategie des Bundesrates ist, so lehnt das Komitee gegen den schleichenden EU-Beitritt (EU-No-Komitee) dennoch jede Unterstellung der Schweiz unter ein ganz oder teilweise aus fremden Richtern zusammengesetztes Gericht kategorisch ab. Wer die Schweiz fremdem Recht, ausgelegt von fremden Richtern unterstellen will, untergräbt ihre Souveränität. Das ist abzulehnen.

 

(Quelle: «Schweiz am Sonntag», 23.11.2014)

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