Behauptungen, Fehlinformationen und Tatsachen

Der Bundesrat ist ratlos. Die EU verlangt von der Schweiz apodiktisch einen Rahmenvertrag. Dieser ist längst ausgearbeitet. Er verursacht der Schweiz einschneidende Einbussen an Souveränität. Der Bundesrat möchte dem EU-Begehren raschmöglichst entsprechen. Aber er glaubt nicht daran, im Volk eine Mehrheit für diesen Unterwerfungsvertrag gewinnen zu können.

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Der von Brüssel geforderte Rahmenvertrag kann, davon ist eine Bundesratsmehrheit überzeugt, bestenfalls auf Schleichwegen, gleichsam durch die Hintertür durchgesetzt werden – oder dann, wenn er an einer Volksabstimmung vorbeigeschmuggelt werden könnte.

Schleichwege gesucht

So konzentriert Bundesbern derzeit all seine Energie auf das Aufspüren von Schleichwegen, die von offener Auseinandersetzung dispensieren würden. Soeben hat er auch ein neues Täuschungsmanöver eingefädelt: Das angestrebte Abkommen wird plötzlich nicht mehr als «Rahmenvertrag» bezeichnet. Neu spricht Bundesbern von einem «Konsolidierungsvertrag». So, als würde mit diesem Vertrag Bestehendes, längst Gültiges einfach zusammenfassend unter einen neuen Titel gestellt. Aber davon kann keine Rede sein.

Mit dem Rahmenvertrag wird nicht bereits Bestehendes konsolidiert. Mit dem Rahmenvertrag soll der Schweiz vielmehr in wichtigen Sachbereichen das Selbstbestimmungsrecht entzogen werden. Sie hat sich zu automatischem, von Bern nicht beinflussbarem Nachvollzug von allein in Brüssel getroffenen Beschlüssen zu verpflichten.

Die Bereitschaft dazu hat die Schweizer Landesregierung in einem von den Spitzendiplomaten beider Seiten bereits am 13. Mai 2013 unterzeichneten Vorvertrag – «Non Paper» genannt – in aller Form erklärt. Der Rahmenvertrag sieht demnach vor, dass die Schweiz zu allen Sachbereichen, die in den heute bestehenden rund zweihundert Abkommen zwischen Bern und Brüssel angesprochen werden, das von der EU allein festgelegte Folgerecht automatisch zu übernehmen hat. Ergäben sich Meinungsverschiedenheiten, müsste die Schweiz das Urteil des EU-Gerichtshofes – also des Gerichts der Gegenseite – als endgültig und nicht anfechtbar anerkennen. Könnte die Schweiz einen solchen Richterspruch des höchsten EU-Gerichts – zum Beispiel, weil in der Schweiz eine Volksabstimmung etwas anderes beschlossen hätte – nicht übernehmen, hätte die EU der Schweiz gegenüber das ausdrückliche Recht, Sanktionen – also Strafmassnahmen – zu verhängen.

Mit solch weittragenden, unser Land und seine Bürger entrechtenden Beschlüssen wird keineswegs längst Bestehendes «konsolidiert». Der Schweiz wird damit vielmehr nichts weniger als die Zwangsheirat mit dem alles bestimmenden EU-Funktionärsapparat verordnet.

Bitteres Zückerchen

Zu den Zückerchen, die den Schweizern das Ja zu diesem Unterwerfungsvertrag gegenüber Brüssel schmackhaft machen sollten, gehört die derzeit an Support gewinnende Forderung, als höchstes Gericht zur Beurteilung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Bern und Brüssel nicht den EU-Gerichtshof, vielmehr das EFTA-Gericht, das Gericht der Europäischen Freihandelsassoziation einzusetzen. Bundespräsidentin Doris Leuthard favorisiert diese Lösung; auch Bundesrat Johann Schneider-Ammann sei ihr, wie verlautet, zugetan. Lediglich Didier Burkhalter wollte in der Landesregierung nichts davon wissen – er aber scheidet jetzt aus.

Das EFTA-Gericht biete der Schweiz gegenüber dem EU-Gerichtshof den Vorteil, dass unser Land als Mitglied der EFTA darin vertreten sei. So verlautet es aus Bundesbern, so echot es aus den Wirtschaftsverbänden und aus den Medien.

Allerdings: Diese Aussage ist tatsachenwidrig. Die Fakten zum EFTA-Gericht sind die folgenden:

Das EFTA-Gericht

Das EFTA-Gericht setzt sich aus insgesamt drei Richtern zusammen. Je einen Richter ordnen Island, Norwegen und das Fürstentum Liechtenstein ab.

Die Schweiz hat keinen Sitz im EFTA-Gericht.

Der Grund dafür ist leicht erkennbar: Im EFTA-Gericht sitzen nur Vertreter aus Staaten, die dem EWR, dem Europäischen Wirtschaftsraum angehören. Den Beitritt zum EWR haben Volk und Stände der Schweiz am 6. Dezember 1992 indessen abgelehnt. Dass die Schweiz als Folge dieser Absage an den EWR keinen Richter in das EFTA-Gericht abordnen darf, erklärt sich aus der Stellung des EFTA-Gerichts gegenüber dem EU-Gerichtshof.

Der EU-Gerichtshof hat, schriftlich fixiert, ausdrücklich zwei Funktionen zu erfüllen. Einerseits ist er das höchstinstanzliche Gericht in der EU. Anderseits ist ihm ausdrücklich die Aufgabe übertragen, gesamteuropäisch für die Vereinheitlichung des Rechts nach Vorgabe der EU zu sorgen.

Als Konsequenz dieser ihm übertragenen zentralen Aufgabe, hat dieser EU-Gerichthof allen EU-Gremien ausdrücklich untersagt, irgend welche Gerichtsinstanzen anzuerkennen, deren Rechtsprechung nicht dem EU-Gerichtshof als höchster richterlicher Instanz untersteht. Das hat – eine von EU-Turbos konsequent verschwiegene Tatsache – zum Beispiel zur Folge, dass die EU die Europäische Charta der Menschenrechte nie unterzeichnet hat. So scharf England kritisiert wird, seit es Anstalten macht, sich der Gerichtshoheit des Europäischen Menschenrechts-Gerichtshofs entziehen zu wollen, so ist seit Jahrzehnten Tatsache, dass die EU diesen Menschenrechts-Gerichtshof nie anerkannt und sich ihm nie unterstellt hat.

Der EU-Gerichtshof anerkennt das EFTA-Gericht nur soweit, als dieses EFTA-Gericht den EU-Gerichtshof als oberste gerichtliche Instanz in Europa respektiert. Um dies zu bezeugen, sind zum EFTA-Gericht nur Richter aus EWR-Staaten zugelassen, weil der EWR-Vertrag den EU-Gerichtshof als oberste Gerichtsinstanz respektiert.

Die Schweiz ist nicht zugelassen

Diejenigen, die angeblichen Schweizer Einfluss auf das EFTA-Gericht glauben geltend machen zu können, begründen dies aus der Tatsache, dass der Vorsitzende des EFTA-Gerichts, Professor Carl Baudenbacher, Schweizer Bürger sei. Dies trifft durchaus zu, doch vertritt Professor Baudenbacher im EFTA-Gericht nicht die Schweiz. Er ist von der Regierung des Fürstentums Liechtensteins als Vertreter Liechtensteins in dieses Gremium abgeordnet worden.

Selbstverständlich darf ein EWR-Land den Staatsbürger eines anderen Landes als seinen Richter beim EFTA-Gericht ernennen. Dieser ist dann aber Vertreter desjenigen Landes, das ihn ernannt hat – und nicht desjenigen, dessen Pass er auf sich trägt.

Als Land ist die Schweiz, weil nicht dem EWR angeschlossen, dem EU-Gerichtshof bis heute nicht unterworfen. Weil dies so ist, wird ihr verwehrt, einen Richter ins EFTA-Gericht abzuordnen.

Diese Zusammenhänge mögen kompliziert erscheinen. Sie sind indessen logisch. Und es besteht kein Zweifel, dass der Bundesrat über diese Zusammenhänge genau im Bild ist. Zweifelhaft ist indessen Bundesberns Informationspolitik. Solange aus Bern behauptet wird, das EFTA-Gericht sei für die Schweiz als Beurteilungsinstanz interessanter, weil die Schweiz Zugang zu diesem Gericht habe, verfälscht Bundebern die Tatsache, dass die Schweiz als Nicht-EWR-Mitglied keinen Sitz in diesem EFTA-Gericht erhalten kann. Wer diese Tatsache verbirgt, macht sich schuldig der bewussten Täuschung der Öffentlichkeit.

EU-No/US

Bild: pixabay.com

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