Aussenminister Burkhalter will die Schweizer Armee an die EU andocken

Unbesehen des Terrorkriegs, der immer bedrohlicheren Krisenherde in und um die EU sowie der inneren Schwäche derselben sucht der Bundesrat ausgerechnet im Bereich Sicherheitspolitik den EU-Anschluss. Er will noch dieses Jahr den Abschluss eines neuen Rahmenabkommens mit der EU prüfen – und zwar im Bereich «gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik» (Gasp). Was dies für die Schweiz bedeuten würde, dazu gibt es nun neue Erkenntnisse.

EU-NO Newsletter vom 5. August 2016

Mit freundlicher Genehmigung des Autors Beni Gafner benjamin.gafner@baz.ch empfehlen wir Ihnen den brisanten Artikel «Ertüchtigung durch Deutschland» aus der Basler Zeitung vom 18. Juli 2016.

Diese stammen allerdings nicht aus Bern, sondern aus Berlin. So geht aus dem neuen Weissbuch der deutschen Bundesregierung zur «Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr» deutlich hervor, welche Rolle die EU mit ihren zu stärkenden Streitkräften künftig zu spielen hat, wie im EU-Rahmen Kampfkraft und Kriegsfähigkeit verbessert werden sollen und wie nationale Streitkräfte «harmonisiert» unter dem EU-Dach zu vereinigen sind.

Pikant: Der (Schweizer) Bundesrat mit FDP-Aussenminister Didier Burkhalter als treibende Kraft sucht die möglichst rasche EU-Unterstellung der Schweizer Armee. Gemäss den offiziellen Zielen 2016 des Bundesrats plant er diese nächste Weiterentwicklung im Verhältnis zur EU – unabhängig von den übrigen Bestrebungen für ein EU-Rahmenabkommen. Wie im April berichtet, will der Bundesrat noch dieses Jahr einen Grundsatzentscheid darüber treffen, ob mit der EU über ein neues Rahmenabkommen zur «Gemeinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik» verhandelt werden soll. Wörtlich geht es dem Bundesrat dabei um die «Teilnahme der Schweiz an Operationen zur Konfliktverhütung, zum Krisenmanagement und zur Friedenserhaltung im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU».

EDA spricht von Friedensmission

Als die BaZ den brisanten und letztlich neutralitätswidrigen Bundesratsplan im April thematisierte, nahm auch das EDA von Bundesrat Burkhalter auf Anfrage Stellung. Wichtig seien eine verstärkte Zusammenarbeit und ein neues Rahmenabkommen mit der EU im Hinblick auf Friedensmissionen im Ausland, hiess es damals. Das Ganze sei nicht neutralitätswidrig, da die Schweiz eigenständig entscheide, wie sie sich beteiligen würde. Zudem seien Kampfhandlungen «zur Friedenserzwingung» ausgeschlossen.

In einer im Mai aufgeschalteten Kurzdokumentation über das heikle Thema EU-Beitritt der Schweizer Armee relativiert das EDA seine Pläne weiter: Die EU habe die Schweiz bereits im Oktober 2004 eingeladen, ein solches GSVP-Rahmenabkommen zur Krisenbewältigung abzuschliessen. In einem solchen Abkommen könnten «allgemeine Modalitäten für zukünftige Einsätze der Schweiz in GSVP-Missionen vertraglich einfacher geregelt werden, etwa der Status des Schweizer Personals und der gegenseitige Austausch von klassifizierten Dokumenten». Die Teilnahme an Friedensförderungseinsätzen sei freiwillig und müsse jeweils vom Parlament bewilligt werden.

Ganz anders nimmt sich demgegenüber der Jargon deutscher Sicherheitsexperten aus, die im Weissbuch der Bundesregierung zur Sicherheitspolitik drohenden Kriegen und Konflikten in Europa mit massiven Ausgabensteigerungen für die Armee begegnen wollen, einer führenden Rolle deutscher Generäle bei EU-Kriegseinsätzen sowie einer «Harmonisierung» von kooperationswilligen, nationalen Streitkräften unter einem EU-Kommando.

Deutschland spricht von Krieg

So säuseln die Deutschen im Gegensatz zur Schweiz nicht von Friedensmissionen, Friedensförderung oder der Erzeugung von «Stabilität»; im Weissbuch ist demgegenüber vielmehr die Rede von «Abschreckung» oder von «kollektiver Verteidigung», auch von «verstärkter Vornepräsenz durch mobile und schnell einsetzbare Kräfte», wobei Deutschland als Führungsnation auftreten werde. Es ist auch die Rede von «nuklearer Teilhabe» sowie von «durchhaltefähigen Beiträgen entlang von Nato-Planungszielen». Die Bundesregierung macht es sich gemäss ihrem Strategiepapier zur Aufgabe, «eine stärkere europäische Fähigkeitsentwicklung und Verzahnung unter den europäischen Streitkräften durch ein Rahmennationenkonzept zu befördern, um den europäischen Pfeiler innerhalb der Nato zu stärken». Es geht unter anderem um die Behebung von «Fähigkeitsdefiziten », die schliesslich in eine «gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion» münden.

Zudem macht es sich die Bundesregierung neu zur Aufgabe, die «Ertüchtigung von Drittstaaten» voranzutreiben, andernorts ist von «Ertüchtigung der Sicherheitsstrukturen von Partnern» die Rede. Mit Ertüchtigung sind konkret die «drei Elemente Beratung, Ausbildung und Ausrüstung» gemeint. Mit einem Rahmenabkommen wäre auch die Schweiz von deutscher Ertüchtigung betroffen.

 

Erstabdruck in der Basler Zeitung am 18. Juli 2016

Das Komitee EU-No dankt der BaZ für die Erlaubnis zum Nachdruck dieses Artikels.

 

 

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