Die Schweiz und die EU

Als Mitglied der Europäischen Union gleiche sich die Führungsmacht Deutschland immer deutlicher der untergegangenen DDR an. Die Schweiz setze dazu einen Kontrapunkt – wenn sie sich selber treu bleibe.

EU-NO Newsletter vom 12.06.2015

Am 7. Juni 2015 gewährte der Innerschweizer Schriftsteller und Dramatiker Thomas Hürlimann der «Schweiz am Sonntag» ein ausführliches, höchst lesenswertes Interview. Drei seiner Antworten zum Verhältnis zwischen der Schweiz und der Europäischen Union lassen aufhorchen.

Thomas Hürlimann beschreibt seine tiefe Abneigung gegenüber der laufend auswuchernden Brüsseler Bürokratie wie folgt:

«Was mich an der EU am meisten stört, ist, dass sie uns ein neues Menschenbild verpassen will. Das Abendland hat das Individuum hervorgebracht. In-dividuum heisst ungeteilt. Der Einzelne empfindet sich als kleinste Einheit im grossen Ganzen von Kosmos und Geschichte. Nun stehen wir vor dem Atomschlag. Das Individuum soll gesprengt und aufgelöst werden. Deshalb der Hass auf alles Elitäre – es ist der Hass auf das Ich. Das neue Europa setzt dazu an, das Ich zu eleminieren, das heisst: Alles Spezielle, also das Geschlecht, der religiöse Glaube, die Hautfarbe oder ein über dem statistischen Durchschnittswert liegendes Körpergewicht hat zu verschwinden. Künftig ist nur noch eine graue Schablone der Toleranz zugelassen. Doch Vorsicht! Eine Toleranz, die sich für allgemeingültig erklärt, schlägt in ihr Gegenteil um. Wer auf diesen Widerspruch hinweist, riskiert heute seinen Ruf, später wohl sein Leben. Die Toleranz-Schablone wird die letzten Individuen gnadenlos jagen und ausmerzen.»

Deutschland – so lautet eine markante Interview-Aussage Thomas Hürlimanns – gleiche sich immer augenfälliger der 1989 kollabierten, sozialistisch geprägten DDR an. Auf die Frage, woran diese Entwicklung zu erkennen sei, antwortete Thomas Hürlimann:

«An der Verachtung des Talents und der Elite sowie am Hang zum totalen Staat. Auch junge Deutsche fühlen sich am wohlsten, wenn sie von staatlicher Gnade und Fürsorge leben. Sie beantragen Wohngeld, Kindergeld, Bafög, Zuschüsse für die Klassenfahrt oder den Musikunterricht, stehen stundenlang in Ämtern herum und sind bis zur Selbstverleugnung dankbar, wenn eine griesgrämige Funktionärin ihre Anträge zu bearbeiten geruht. Davon hat Lenin geträumt. Und vergessen wir nicht, dass an der Spitze der Bundesrepublik Deutschland Personen stehen, die in der DDR sozialisiert wurden. Frau Merkel war in der DDR Sekretärin bei den jungen Pionieren, zuständig für Propaganda. Damals hat man die UdSSR als friedliebendes Brudervolk verehrt, heute spricht die Kanzlerin tagtäglich vom friedensstiftenden Europa. Das ist pure Ideologie.»

Zur Frage, ob er die Schweiz als Modell betrachte, antwortete Thomas Hürlimann:

«Ja, und den Modell-Charakter verlieren wir auch dann nicht, wenn sämtliche deutschen Medien unsere Abstimmungsentscheide verurteilen – wie etwa bei der Masseneinwanderungsinitiative. Hierzu muss man wissen, dass Deutschland nicht nur von oben nach unten, sondern stets auch moralisch politisiert. Je grösser das Thema, umso besser. Merkel kümmert sich am Nordpol höchstpersönlich um das Weltklima, chic in roter Skijacke, doch auf einem Berliner Schulhof hat man sie noch nie gesehen. Das hat natürlich Gründe. Wer in Deutschland das Thema Immigration oder Ausländer berührt, wird von hysterischen Medien sofort unter Faschismusverdacht gestellt.»

us

Quelle: Schweiz am Sonntag, Nr. 23/7.06.2015 S:13ff

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