SPIEGEL-Porträt zur Lage der Schweiz in Europa

Der «Sonderfall Schweiz» weckt in Europa Erstaunen. Es findet Ausdruck zum Beispiel in einer Lagebeurteilung zur Entwicklung der Schweiz, publiziert in der jüngsten Ausgabe des deutschen Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL: Eigentlich – bilanziert der SPIEGEL – müsste es der Schweiz mit ihrem starken Franken schlecht gehen. Tatsächlich erweise sich ihre Wirtschaft als derart stark, dass Aussenstehende neidisch werden möchten.

EU-NO Newsletter vom 12.06.2015

Der Artikel beginnt mit einem Porträt des erfolgreichen Eisenbahnherstellers Peter Spuhler:

«Eigentlich dürfte es den erfolgreichen Unternehmer Peter Spuhler gar nicht geben: Als er seiner Schwiegermutter Ende der Achtzigerjahre die Stadler Fahrzeuge AG abkaufte, hatten sich ein paar Weltkonzerne den Markt für Eisenbahnen längst aufgeteilt. Stadler war eine kleine Firma mit gerade einmal 18 Mitarbeitern und ein paar Millionen Franken Umsatz. Zu allem Überfluss lag das Stammwerk auch noch in der Schweiz, schon damals kein günstiger Produktionsstandort.

Heute werden fast nirgendwo auf der Welt so hohe Stundenlöhne gezahlt wie zwischen Basel und Chiasso, der Wert des Frankens gegenüber Dollar, Mark und Euro hat sich allein seit Anfang der Neunzigerjahre um bis zu 73 Prozent erhöht. Als sich die Schweizerische Nationalbank zu Beginn des Jahres dem Druck der Finanzmärkte beugte und den Mindestkurs zum Euro nicht länger verteidigte, sprang der Franken binnen Minuten nach oben.

Doch die Stadler Rail AG trotzt von jeher der ökonomischen Unbill, das Unternehmen boomt wie nie: Spuhler, inzwischen Chef eines Konzerns, verkauft von Bussnang in der Ostschweiz aus Eisenbahnen in alle Welt, er macht 500-mal so viel Umsatz wie bei der Übernahme des Unternehmens und beschäftigt inzwischen 6000 Mitarbeiter.

Dass das Wunder von Bussnang bald vorbei sein könnte, weil der Franken zu stark ist, glaubt Spuhler nicht. Natürlich habe ich mir diese Aufwertung nicht gewünscht, sagt er, aber irgendwie werden wir es hinbekommen. Pause. Die Welt ist ja bekanntlich noch nie untergegangen.

Spuhlers Optimismus passt so gar nicht zur kollektiven Klage, die seit Monaten die Schweiz durchweht.»

In der Fortsetzung des SPIEGEL-Artikels werden auf drei Seiten weitere Schweizer Betriebe vorgestellt, die widrigen äusseren Umständen höchst erfolgreich die Stirn bieten. Klar werde dabei: Schweizer Betriebe können sich nach den Marktbedürfnissen ausrichten, sie leiden weniger unter bürokratischen Vorgaben. Die Wirtschaft der Schweiz könne ihre Stärken voll ausspielen – entscheidende Voraussetzung für erfolgreiches Überleben in schwieriger Zeit.

Wesentlicher Pfeiler des Schweizer Wirtschaftserfolgs sei die Arbeitsbereitschaft, ja Arbeitsfreude der Schweizerinnen und Schweizer. Im Schlussabschnitt kommt noch einmal Peter Spuhler zu Wort:

«Diese Arbeitslust sorgt für eine Konkurrenzfähigkeit, die selbst Experten das Schweizer Wirtschaftswunders überrascht: Als Peter Spuhler, der Chef des Eisenbahnherstellers Stadler, vor einiger Zeit die Lohnstückkosten seiner Standorte in der Schweiz und in Deutschland berechnen liess, wollte er eigentlich nur wissen, um wie viel teurer die Schweiz angesichts der doppelt so hohen Löhne ist.

Heraus kam allerdings, dass ihn die Schweizer Mitarbeiter gar nicht mehr kosten. Den Lohnnachteil gegenüber Deutschland gleichen sie nahezu vollständig aus – unter anderem dadurch, dass sie rund 400 Stunden pro Jahr mehr arbeiten.»

Es ist offensichtlich: Nicht die Ausrichtung nach Brüssel, die Orientierung am Markt garantiert Wirtschaftserfolg.

us

Quelle: Der Spiegel Nr. 24/6.6.2015, S. 76ff

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert