Referat von Stelio Pesciallo, Tessiner Komitee, anlässlich einer Medienkonferenz vom 5.8.2016 in Bern. 

Im Tessin hat sich gegen den schleichenden EU-Beitritt durch den Weg eines institutionellen Rahmenvertrages bereits im Februar 2015 ein Komitee gebildet. Es setzt sich gleichmässig aus Mitgliedern verschiedener Parteien zusammen: Es sind dies FDP, Lega, SVP, Grüne und Area Liberale, die ihrerseits auch politische Mandate in grossen Gemeinden wie Lugano und im Tessiner Grossrat besetzen.

Diese überparteiliche Zusammensetzung ist ein klares Zeichen, dass im Verhältnis zur EU eine qualifizierte Mehrheit der Bevölkerung eindeutig eine weitere Einbindung in die europäischen politischen Strukturen ablehnt.

Diese EU-kritische Position ist eine Bestätigung des Ausgangs der eidgenössischen Abstimmungen der fernen und nahen Vergangenheit, von der Abstimmung zum EWR bis hin zur Abstimmung gegen die Masseneinwanderung vom Februar 2014.

Solche Resultate sind nicht Ausdruck einer unreflektierten Eingrenzung gegen aussen, da die Geschichte unseres Kantons – sei es im kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Bereich – seine Aufgeschlossenheit ständig bewiesen hat.

Die Entwicklung des letzten Jahrzehnts mit der Inkraftsetzung des Schengen-Abkommens und insbesondere im Bereich des freien Personenverkehrs, hat genügend bewiesen, wie eine unbeschränkte, masslose und automatische Übernahme von EU-Recht die sozialen, wirtschaftlichen und räumlichen Gegebenheiten eines Kantons aus den Angeln heben kann.

Und die Zahlen sind eindeutig: ohne Einrechnung der übrigen ausländischen Bevölkerung sind im Kanton Tessin 62‘000 Grenzgänger tätig. Gegenüber den insgesamt 300‘000 Kantonseinwohnern macht dies einen Drittel der Arbeitskraft aus.

Das heutige Unbehagen gründet daher nicht auf der Präsenz von ausländischen Arbeitskräften, die der Kanton immer gehabt hat und darauf nicht verzichten kann, sondern auf die unkontrollierte und undosierte Einwanderung aus dem nahen Ausland, die überraschend und innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne passiert ist. Diese neue Situation hat zu Verzerrungen und Fehlentwicklungen in den verschiedensten Bereichen der Tessiner Gesellschaft geführt.

Der Abschluss jeglicher Vereinbarung soll von vornherein auf ihre nahen und fernen Konsequenzen geprüft werden. Diese Bewertung wurde vor Übernahme des Schengen-Abkommens nicht gemacht und folglich ist unser Land nicht nur auf die Befolgung von Normen gebunden, die zu negativen und unerwarteten Auswirkungen geführt haben, sondern auch verpflichtet, automatisch neue Schengener Rechtssetzungen zu übernehmen.

Im weiteren, wie die letzten Verhandlungen mit Italien im Fiskal-und Grenzgängerbereich genügend bewiesen haben, sind unsere Vertreter bereit, der Gegenpartei einseitig Zugeständnisse zu machen ohne im Gegenzug Vorteile zu unseren Gunsten zu verlangen, wie z.B. die Eröffnung des italienischen Marktes für unsere Finanzindustrie.

Wir sollten daher die Fehler der Vergangenheit vermeiden. Das heisst keine vertragliche, aprioristische Anbindung an die Entwicklung des EU-Rechts. Jede neue Verpflichtung soll Gegenstand von Verhandlungen und gegenseitigen Verträgen sein.

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