Argumentarium «Rahmenvertrag Schweiz – EU»

70 Der Stand der Verhandlungen

 

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70.01

Am 6. Dezember 1992 lehnten Volk und Stände den EWR-Beitritt ab. Mehrheiten in Bundesrat und Parlament haben diesen Entscheid bis heute nicht akzeptiert.

70.02

Diese Mehrheiten versuchen, den Weg in die EU auf Umwegen oder durch «kalte Verfassungsänderung» mittels tendenziöser Neuinterpretation einzelner Verfassungsartikel «durch die Hintertür» – am Volk vorbei – zu finden.

70.03

In einem formellen Brief forderte der damalige Präsident der EU-Kommission, Juan Manuel Barroso, am 21. Dezember 2012 die «institutionelle Anbindung» der Schweiz an den Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union.

70.04

Der Bundesrat schlug wenig später, dem Ansinnen Barrosos nachkommend, einen Rahmenvertrag zum Vollzug der institutionellen Anbindung vor.

70.05

In einem Vorvertrag («Non-Paper») einigten sich beide Seiten am 13. Mai 2013 darauf, dass die Schweiz im Rahmenvertrag die automatische Übernahme von als «binnenmarktrelevant» erklärten EU-Beschlüssen akzeptiert, die Oberhoheit des EU-Gerichtshofs bei Meinungsverschiedenheiten anerkennt und der EU ein Sanktionsrecht einräumt, wenn ein Entscheid des EU-Gerichtshofs nicht übernommen werden kann.

70.06

Mit diesen einseitigen Zugeständnissen erhält der geplante Rahmenvertrag den Charakter eines Unterwerfungsvertrags.

70.07

Hatte der Bundesrat zunächst rasche Aushandlung des Rahmenvertrags im Sinn, erkannte er aufgrund zunehmenden Widerstands in der Öffentlichkeit die Chancenlosigkeit seines Vorgehens im Blick auf eine nicht zu umgehende Volksabstimmung.

70.08

Die Landesregierung wartet seit 2014 auf eine «gute Gelegenheit» für überfallartige Beschlussfassung zum Rahmenvertrag – und/oder auf Vorschläge und Ideen zur Umgehung einer Volksabstimmung.

70.09

Die EU will der Schweiz, solange sie den Rahmenvertrag nicht verabschiedet, keine neuen bilateralen Verträge zugestehen. Eine Ankündigung, die sie allerdings selber nicht konsequent verfolgt (das Abkommen über den Automatischen Informationsaustausch wurde trotz der EU-Absichtserklärung unter EU-Druck vereinbart).

70.10

Bundesbern behauptete mit dem Rahmenvertrag im Visier anfänglich, die Vereinbarung eines Stromabkommens mit der EU sei dringlich, erfordere aber vorgängig die Verabschiedung des Rahmenvertrags. Da dieses Manöver mit behauptetem Sachzwang keinerlei Wirkung zeitigte, liess es der Bundesrat wieder fallen.

70.11

In der Schweiz hat auch der Versuch nicht verfangen, ein Bedürfnis für ein drittes Paket bilateraler Verträge herbeizureden, das den vorherigen Abschluss des Rahmenvertrags bedinge. Wichtige, unbedingt nach vertraglicher Regelung rufende Probleme stehen derzeit zwischen der Schweiz und der EU nicht an.

70.12

Die EU übt indessen unvermindert Druck aus auf raschen Abschluss des Rahmenvertrags. Sie will – wie dem EU-Papier «Option Schweiz» (vgl. Kapitel 56) zu entnehmen ist – die Unterstellung der Schweiz unter die Hoheit des EU-Gerichtshofs unbedingt durchsetzen, was das Ende der Selbstbestimmung der Schweiz, das Ende der direkten Demokratie bedeuten würde.

Nähere Infos: EU-No: Stand der Verhandlungen (ausführliche, laufend aktualisierte Fassung)

 


Thomas Hürlimann, Schriftsteller:

«Eine bessere Organisationsform als die Nation hat die Menschheit bisher noch nicht entwickelt.»

(NZZ am Sonntag, 23. April 2017)


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